Walter von Ballmoos: «Treten Sie ein, sonst verhungern wir beide…»

Portrait_Walter von BallmoosGraubünden ist jährlich Schauplatz von unzähligen Anlässen. Grossanlässe generieren auf zwei Arten Wertschöpfung: Einerseits als Anlass (u.a. Organisation, Auf-, Abbau, Durchführung, Bewerbung) andererseits durch den Konsum (u.a. Beherbergung, Verpflegung, Detailhandel, Dienstleistungen). Wenn ein grosser Anteil der Wertschöpfung am Ort gehalten werden kann, besteht die Möglichkeit für Einheimische und Gäste attraktiv zu sein, wovon Geschäfte, Dienstleister, Gewerbe und damit die Bevölkerung, die Gemeinde und Graubünden profitieren.

Als Davos, vor knapp 5 Jahren über Sparmassnahmen diskutierte, kam ein Urner, der bei einem Forschungsinstitut arbeitete, zu mir: «Wie ist es möglich, dass in Davos, wo so viel läuft, Sparmassnahmen nötig sind?» Ein Grund ist beim Abfluss von Wertschöpfung, nachfolgend «Wertschöpfungsdrain», zu orten. Das Thema verdient aufgrund aller einleitend erwähnten Effekte grösste Aufmerksamkeit.

Anlässe haben nicht durchwegs, aber viele positive und nicht nur materiell messbare Effekte. Wie sich der «Wertschöpfungsdrain» manifestiert, kann beim WEF und beim Spengler Cup beobachtet werden. Das Jahrestreffen findet bereits seit 1970, der Spengler Cup seit 90 Jahren statt.

Beide Anlässe, und mit ihnen der Ort selber, haben sich seit den Anfängen stark entwickelt. Aufgrund ihrer erreichten Grösse sind diese Anlässe attraktiv für nicht lokale Leistungserbringer, die mit ihrem Personal Wertschöpfung in Davos erwirtschaften, welche abfliesst. Für örtliche Ganzjahres-Betriebe, welche die Qualität des Orts ausmachen, hat das Jahr 365 Tage. Somit sind gerade für diese die Einnahmen aus den Spitzenzeiten aufgrund der starken saisonalen Schwankungen existentiell.

Bei der Planung für Olympische Spiele ist dem «Wertschöpfungsdrain» besonderes Augenmerk zu schenken, denn im Gegensatz zum Spengler Cup und zum WEF, ist das Potential für einheimische Leistungserbringer Wertschöpfung zu erwirtschaften, stark eingeschränkt. Die Bindungen des Produkts Olympische Spiele an Sponsoren bedingt dies. Aufgrund der immer neuen Austragungsregionen sind auch die beschriebenen Entwicklungen des Austragungenden inklusive allen ‘Stakeholdern’ nicht gegeben.

Das Gemeinwesen ist aus eigenem Interesse gehalten, sich der Problematik des «Wertschöpfungsdrains» täglich bewusst zu sein. Sie und ich als Konsument treffen Entscheidungen: Ess ich in einem lokalen Restaurant oder ein auch in Spreitenbach konsumierbares Menu in einem Restaurant eines Grossverteilers?

 

Kommentare

«Gemeinsam fit für 2026»

Lieber Walter – du bringst eines auf den Punkt. Und ich hoffe genau in diesem werden dir viele deiner Parteifreundinnen und Parteifreunde folgen: «Bei der Planung für Olympische Spiele ist dem Wertschöpfungsdrain besonders Augenmerk zu schenken». Ich teile hier deine Meinung zu 100%. Damit wir aber überhaupt diese Planung im Detail angehen können, ist ein JA am kommenden 12. Februar umso wichtiger. Genau damit wir diese und die weitere Planung angehen können. Für mich gehört hierbei nicht nur das Wertschöpfungsdrain dazu. Wir müssen uns auch intensiv damit auseinandersetzen, wie wir unsere Wirtschaft so fit bekommen, damit wir auch lange nach 2026 noch von den olympischen Spielen profitieren werden. Machen wir unsere Wirtschaft gemeinsam fit für 2026 und vor allem für danach. Es freut mich, dass du dich nicht gegen diese Planung sperrst.

Jan Koch, Vize-Präsident SVP Graubünden

 

«Lokale Unternehmen wettbewerbsfähiger machen»

Der von Walter von Ballmoos beschriebene «Wertschöpfungsdrain» ist bei Veranstaltungen tatsächlich ein Problem. In der Regel kommt es aber nur dazu, wenn die lokalen Unternehmen nicht konkurrenzfähig sind. (Ausnahmen sind vor allem bei Grossaufträgen zu finden. Solche wird es selbstverständlich auch bei Olympia geben, weil es zu internationalen Ausschreibungen kommt.) Bei Annahme des Verpflichtungskredits und folglich der Ausschaffung einer Olympiakandidatur wäre eben genau eines der Ziele unsere lokalen Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen. Dass dies gelingen kann, zeigt aus aktuellem Anlass die Ski WM 2017. Das OK der Ski WM hat sich sehr bemüht am Anlass nur lokale Produkte zu verwenden. Um solche Prozesse erfolgreich durchführen zu können braucht es neben viel Know-how auch Solidarität. Diese vermissen wir beispielsweise am WEF in Davos, wo es immer mehr vorkommt, dass Profiteure die kurzfristige Gewinnmaximierung im Vordergrund sehen. Wer nämlich als Unternehmer vor Ort seriös kalkuliert, hat in aller Regel die Nase vorn und kann den Wertschöpfungsdrain verhindern.

Walter von Ballmoos spricht in seinem Bericht anhand der Beispiele WEF und Spenglercup wiederkehrende Veranstaltungen mit einem gewissen Automatismus an. Olympia wird uns vor neue Herausforderungen stellen, bei denen Unternehmen vor Ort in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden der Austragungsorte eigene Ideen entwickeln können. Es wird wesentlich von der Innovationskraft der Akteure abhängen, ob die Wertschöpfung in Graubünden realisiert werden kann. Schon aus der letzten Kandidatur hat es hierfür eindrückliche Beispiele gegeben. So wurden beispielsweise aus den Olympiazimmern von Enrico Uffer eine ganze Hotelanlage in Beverly realisiert, beziehungsweise als Quadrin in der Biathlonarena in Lenzerheide weiterentwickelt.

Ich bin überzeugt, dass mit „echten“ Grossveranstaltungen, wie die Ski-WM oder es eben die Olympiade 2026 sein könnte die Innovation in den hiesigen Betrieben eine grössere Bedeutung bekommt und die Wettbewerbsfähigkeit markant gesteigert wird.

Vera Stiffler, Grossrätin FDP

 

Politforum auf GRHeute

Das Politforum auf GRHeute besteht aus 12 PolitikerInnen aus Graubünden. Jeden Donnerstag nimmt eine/r zu einem aktuellen Thema Stellung, die anderen Mitglieder des Politforums können diesen Beitrag ihrerseits kommentieren.

 

(Bild: GRHeute)