HTW Blog: Was ist Architektur?

Oft hört man als Antwort auf die Frage: «Was ist gute Architektur?», das sei eben Geschmacksache. Doch das ist ein Missverständnis. Architektur ist zwar mit Kleidern vergleichbar, doch eine langfristige Angelegenheit. In der Oper ziehe ich etwas anderes an als zur Arbeit oder wenn ich an ein Konzert oder zum Sport gehe. Die falschen Kleider können dazu führen, dass man total deplatziert ist. Hierbei sind sowohl der kulturelle Kontext, der Nutzer, aber auch die Funktion massgebend.

Ein Beitrag im Rahmen der HTW-Blog-Reihe. Text: Prof. Daniel A. Walser

Unpassende Kleider können rasch ausgetauscht werden. Gebäude bleiben aber für mindestens 80 Jahrzehnte bestehen. Sie früher abzureissen ist sowohl ein ökonomischer aber auch ökologischer Verschleiss, den es zu verhindern gilt.

Gebäude bleiben normalerweise für Generationen bestehen. Wünsche, Bedürfnisse, aber auch Wertvorstellungen oder ökonomische Voraussetzungen ändern sich laufend. Bauten werden immer wieder anders genutzt, umgebaut und angepasst. Architektur ist keine schnelle Mode, sondern etwas Beständiges. Sie sind Teil ihrer Umgebung und Kultur. Dorfkönige wünscht sich keiner. Nur allgemeine, öffentliche Gebäude wie Kirchen, Museen, Schulen oder Rathäuser können aus dem allgemeinen Kontext herausstechen, aber müssen in jedem Fall besonders gut angezogen sein!

Architektur ist heute aber auch immer zeitgenössisch und sicherlich nicht historisch oder historistisch. Es muss der Anspruch sein, eine angemessene, zeitgenössische Lösung für eine spezifische Bauaufgabe zu finden. Das bedeutet immer auch, dass es einen Aushandlungsprozess bracht, was an einem bestimmten Ort Sinn macht und dem gesamten Ort auch etwas bringt.

Der römische Architekt Vitruvius definierte in seinem Architekturtraktat die zentralen Aspekte der Architektur mit firmitas (Dauerhaftigkeit), utilitas (Funktionalität), venustas (Schönheit). Die Bauten sollen dauerhaft gebaut sein, die Funktionen und Bedürfnisse der Bewohner und Nutzer erfüllen und zudem auch schön sein. Dies ist auch heute möglich und gerade auch aufgrund der ökologischen Diskussionen ein langfristige Handlung.

Schwierige Beispiele

Ein missglückter Neubau ist das goldene Hotel-Ei Stilli Park in Davos (2013) von Matteo Thun und Oikios Architekten. Das Hotel ist ohne Massstab, undifferenziert als Baukörper und besitzt keinen Anspruch irgendwie Teil von Davos zu sein. Der Bau ist autistisch und könnte überall stehen. Wohnen so die neuen Könige von Davos?

Ebenfalls problematisch erachte ich das Turmprojekt für die Therme in Vals von Morphosis (2014-). Dieser Bautypus macht an hochkompakten Orten wie in New York Sinn, nicht aber in der von Abwanderung bedrohten Gemeinde Vals. Alles andere ist reine Spekulation. Im schlimmsten Fall endet das Ganze wie in San Bernardino mit dem Hotel Albarella (1976), welches am schönsten Platz des Dorfes errichtet wurde und heute als leere Hotel-Ruine ein Mahnmal einer verfehlten und spekulativen Entwicklung darstellt. Wer derart viel Geld ausgibt, der fährt auch dorthin, wo die Landschaft wunderschön und aussergewöhnlich ist wie beispielsweise nach St. Moritz. Der Hotelturm könnte überall stehen und bildet auf keinen Fall ein Zukunftsmodell.

Es entstehen leider viel zu oft keine ambitiösen Bauten in unseren Alpen, sondern mittelmässige Agglomerationsarchitektur, wie sie auch irgendwo im Schweizer Mittelland stehen. Derartige Bauwerke sind kein Beitrag für unsere Dörfer und entwickeln nichts weiter, das irgendwie Qualität hätte.

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