Umweltanliegen haben ein Imageproblem

Die Atomausstiegsinititivae abgelehnt, die Parc-Adula-Initiative abgelehnt: Für die Umweltverbände und die linken Parteien war das Wochenende ein Alptraum. Woran lag’s? Ein Kommentar.

Vor nicht allzu langer Zeit galten Aktivisten von WWF bis Greenpeace als Idealisten, die sich mit Guerilla-Aktionen kompromisslos für ihre Sache einsetzten. Nicht allen gefiel dies, und oft wurden die «bärtigen Sandalenträger» von den Bürgerlichen verspottet.

Seit der Umweltschutz nach Fukushima aber salonfähig geworden ist (und Bärte wieder in Mode sind), seit Parteien wie die GLP gegründet und Bürgerliche wie die CVP oder die BDP den Spagat in grüne Gefilden machen, seitdem ist der Umweltschutz zu einem grossen Thema der nationalen Politik geworden. Und damit zum Spielball von Interessen, hin und hergerissen zwischen moralischem Zeigefinger und Machtgelüsten von Gruppierungen, die das politische Matchpotenzial von Anliegen des «Umweltschutzes» erkannt haben – und es auf der politischen Klaviatur zu spielen begannen.

Nur mit der Bevölkerung haben die Initianten wieder mal nicht gerechnet. Auch die Parc-Adula-Initianten verkannten den Eingriff, den sie ins «normale» Dorfleben der betroffenen Bevölkerung vorhatten. Die Angst der Adula-Gemeinden vor einer Nationalparkbehörde, die von Bern aus den Einheimischen sagt, wo sie hinwandern und wo sie Pilze pflücken dürfen, wurde von der Bevölkerung nicht goutiert. Selbst dann nicht, wenn sie mit der Aussicht auf öffentliche Gelder geködert wurden. «Die Schaffung dieses Verbots-Riegels entlang dem Alpenkamm empfanden die Tessiner und Bündner als faktische Enteignung… Man hat während sechzehn Jahren über die Köpfe der Einheimischen hinweg geplant und zum Schluss versucht, uns Berglern einzureden, wir hätten das so gewollt», schrieben die Gegner gestern in einem Communiqué. 

Noch am Donnerstag hatte Parc-Adula-Präsident Fabrizio Keller mit einem Schreiben an betroffene Gemeindepräsidenten versucht, einen letzten Meinungsumschwung zu Gunsten des Parks zu lancieren. Er verdächtigte dabei die Park-skeptischen Wasserkraftwerke, sie sagten nur Nein, um sich in den bevorstehenden schwierigen wirtschaftlichen Jahren eines «lästigen Players» zu entledigen. Damit hat er wohl recht. Aber kann man es den Wasserkraftwerken wirklich verdenken? Zu oft hatten die Umweltschutzorganisationen in den letzten Jahren jeden Machtzugewinn auf dem politischen Parkett auszuspielen versucht. Gerade auch in Graubünden spielten sie in den letzten Jahren mit Genuss den Verhinderer. Neue Wasserkraftwerke – notabene eine anerkannte, erneuerbare Energie – wurden scheinbar aus Prinzip mit Einsprachen blockiert, oder anders ausgedrückt: mit umweltpolitischen Begründungen sabotiert.

Dass andere alternative Energieformen – auf Initiative derselben Ja-Kreise – gleichzeitig mit Subventionen gefüttert wurden, was zur Folge hatte, dass die Wasserenergie einen Grossteil ihres Werts verlor, tat sein übriges. Man traut den schönen Worten zu Recht nicht vorbehaltlos. So hehr die Ziele vielleicht sind, damit ist noch lange keine Glaubwürdigkeit erlangt.

Ob schneller Atomausstieg oder Parc Adula, die Bevölkerung hat gemerkt, dass sie bei einem Ja in einen zentralistischen Würgegriff von Umweltanliegen und ihren Interessengruppen genommen werden. Und das wollen weder die Bündner noch die Schweizer.

 

(Bild: Die Abstimmungssieger bemühten in ihrer Nein-Kampagne erfolgreich das Asterix’sche «kleines Dorf gegen Angriffe von aussen»-Klischee)