tourismus.total: Der Mensch braucht keinen neuen Park

Vielleicht haben Sie es vor zwei Wochen gehört oder gelesen. Vor der Küste der Antarktis wird das größte Meeresschutzgebiet der Welt entstehen. Das Schutzgebiet im ökologisch bedeutsamen Rossmeer soll 1,55 Millionen Quadratkilometer umfassen. Das entspricht der Fläche von Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen. Im größten Teil des neuen Schutzgebietes soll jegliche Fischerei verboten werden. Das Schutzgebiet ist somit der grösste Park der Erde. Der Mensch wird mindestens die nächsten 35 Jahre (so lange dauert das Abkommen) in diesem Gebiet nicht mehr fischen oder jagen. Alles bleibt geschützt.

Auf einer Recherchereise in Uganda haben meine Frau und ich anfangs November auch den berühmten Murchison-Falls-Nationalpark besucht. Winston Churchill meinte, dass die Nil-Wasserfälle das Spektakulärste seien auf dem Flussweg Richtung Mittelmeer. Der Park wurde erst 1954 gegründet nachdem u.a. die gesamte Nashorn-Population ausgerottet worden war.

Der älteste Nationalpark der Welt befindet sich meines Wissens in den USA. Der Yellowstone Nationalpark wurde 1872 gegründet, in einer Zeit, in der die Erde noch keine flächendeckende Industrialisierung vor sich hatte und die Welt nur von gut 1 Milliarde Menschen besiedelt wurde. Man wollte die Natur u.a. vor den „Verrückten“ retten…

Ende November könnte der jüngste Park der Welt in Graubünden das Licht der Welt erblicken. Der Nationalpark Adula soll vieles bewirken, nicht zuletzt auch den ökonomischen Aufschwung für die Peripherie am Fusse des Piz Adula und Terri und dem Laghet la Greina.

Doch wenn ich die Welt sehe haben alle Parks dieser Welt in uns Menschen kaum etwas bewirkt. Wir besuchen sie, bestaunen und bewundern die Natur und kehren wieder in unsere Welt zurück. Die Parks sind eine Welt und wir leben in einer anderen. Die Parks verändern unser Verhalten nicht. Wir werden nicht zu anderen Menschen. Wir konsumieren die Natur und kehren als Konsumenten wieder zurück. Wir tauchen für einen kurzen Augenblick in eine paradiesische Welt ein aber ausserhalb der Parkgrenzen leben wir in Saus und Braus weiter.

Der Yellowstone-, Murchison-Falls-, Antarktis- und der vielleicht entstehende Adula-Nationalpark werden leider nichts bewirken. Ja, vielleicht wird das Geld fliessen. Die „Verrückten“ aber werden weiterhin ausserhalb der Parkgrenzen wüten. Wenn wir es nicht langsam realisieren, dass wir in Symbiose mit dieser Welt leben müssen, nützen uns alle Parks dieser Welt nichts.

Ernst Bromeis-Camichel
Wasserbotschafter und Expeditionsschwimmer

 

Die Tourismus-total-Expertenrunde von GRHeute berichtet und kommentiert einmal wöchentlich über aktuelle Tourismusthemen für Graubünden. Unverblümt und direkt von der Front.