Die Atomausstiegsinitiative will die Laufzeit der fünf Schweizer Atomkraftwerke auf 45 Jahre beschränken und den Bau neuer AKW verbieten. Somit müssten bis 2029 alle AKW abgestellt werden. Die Meinungen sind gemacht.
Am 27. November gehen die Grünen aufs Ganze: Unterstützt von der SP, den Grünliberalen und einer breiten Allianz von Umweltverbänden und atomkritischen Organisationen wollen sie den Schweizer AKW raschmöglichst den Stecker ziehen: Die AKW Mühleberg, Beznau I und Beznau II würden bei einer Annahme der Atomausstiegsinitiative 2017 stillgelegt, das AKW Gösgen 2024 und das AKW Leibstadt 2029. Die Initianten sehen die Atomkraftwerke als Sicherheitsrisiko. «Diejenigen, die an vorderster Front gegen diese Initiative kämpfen, spielen mit dem Leben unserer ganzen Bevölkerung», schrieb der Bündner Juso-Co-Chef Pascal Pajic gestern in einer Medienmitteilung harte Worte.
Das bürgerliche Lager tritt national zwar mehr oder weniger geschlossen gegen das linke Anliegen an, zumindest in Graubünden ist die Sache aber nicht so eindeutig, wie es aussieht. So ist die Bündner BDP in der Frage beispielsweise völlig gespalten und hat die Initiative innerhalb der Partei mit nur einer einzigen Stimme Differenz abgelehnt. Sie betont aber die Energiestrategie 2050, die man beschlossen habe und die man verfolgen müsse, neue AKW würden auch bei einer Ablehnung keine mehr gebaut.
«In der Energiestrategie 2050 fehlen die Regelungen zur schrittweisen Ausserbetriebnahme der bestehenden alten AKW. Die Initiative schliesst diese zentrale Lücke der Gesetzgebung und sorgt dafür, dass die AKW gestaffelt (2017, 2024 und 2029) vom Netz gehen», so die Gegen-Argumentation der Befürworter. Ähnlich wie die BDP argumentiert auch die CVP Graubünden, die die Initiative ebenfalls ablehnt, was aber keinen Einfluss auf die angestrebte Energiewende zu tun habe.
Nicht nur eine Medienmitteilung der Juso ging gestern zur Atomausstiegsinitiative auf der GRHeute-Redaktion ein, sondern auch ein Leserbrief von Andrea Davatz. Der SVP-Grossrat findet ebenso klare Worte wie sein SP-Antipode, beurteilt die Vorlage natürlich anders und greift die Glaubwürdigkeit der Befürworter an. Erneuerbare Energien sollten den fehlenden Strom ersetzen, würden die Grünen behaupten, schreibt Davatz: «Effektiv bekämpfen sie jedoch praktisch jedes neue Wasserkraftwerk, so auch das Projekt im Lugnez der Kraftwerke Zervreila AG. Dieses Werk hätte jährlich rund 85 Millionen Kilowattstunden geliefert. Das ist rund das Doppelte, was alle Photovoltaik- und Windkraftanlagen in Graubünden im Jahr 2015 produzierten!» Die Bündner und Schweizer SVP lehnen die Initiative ebenso ab wie die FDP.
Das Tauziehen um den Atomstrom geht weiter – mindestens bis am 27. November und sicher bis man weiss, wo die Schweiz die 36% des derzeit aus Kernenergie gewonnenen Stroms herholen soll.
(Bilder: Web/GRHeute/Atomkraftwerk Leibstadt/Wikipedia)