Es war letztes Jahr in den Ferien auf Sizilien. Als Familie haben wir einen Tag auf dem Vulkan Ätna verbracht. Und da habe ich es realisiert: alles verändert sich. Nichts lässt sich bewahren. Auf dem Ätna gibt es sogar ein Skigebiet mit atemberaubender Aussicht über Catania und das Meer. Wenn der Berg Lava spuckt, verändert sich die Landschaft über Nacht. Neue Täler entstehen. Die Vegetation weicht dem heissen Gestein. Und auch der Skilift und die Pisten müssen dann wieder verlegt werden.
In Graubünden ist ebenfalls alles in Veränderung. Der Vulkan ist nicht so offensichtlich. Doch er spuckt auch hier. In inverser Form. Die Gletscher schmelzen.
Schmelzende Gletscher lassen den meisten Menschen das Augenwasser kommen. Man will es nicht wahrhaben, dass sich die Landschaft verändert. Man möchte den Zustand aufhalten und am liebsten einfrieren. Doch das ewige Eis ist endlich.
Glaziologen versuchen auf dem Morteratschgletscher mit Schneekanonen den Gletschertod zu verhindern. Am Rhonegletscher werden Vliesrollen gespannt, um den Gletscher vor dem Abschmelzen zu retten. Dass der Mensch mit seiner Lebensweise den Gletschertod beschleunigt, bezweifeln nur noch wenige. Dass aber die Gletscher seit der letzten Eiszeit primär schmelzen und sich mit ihnen die ganze Welt veränderte, scheinen wir hingegen nicht wahrhaben zu wollen. Die Veränderungen sind aber das Grundgesetz des Lebens. Nichts lässt sich ewig einfrieren.
Vor einigen Tagen habe ich zusammen mit der Schweizerischen Greina Stiftung einen namenlosen jungen Gletschersee getauft. Einige kritisierten die Seetaufe hoch über der Greinahochebene. Der durch den schmelzenden Terrigletscher entstandene neue See erinnere sie an das, was nicht mehr ist. Andere meinten, eine Seetaufe bringe zu viel Aufmerksamkeit in diese menschenleere und naturüberlassene hochalpine Region.
Ich glaube aber, dass es gerade diese Form der Aufmerksamkeit brauchte und weiterhin braucht. Wir müssen das sich Verändernde in unserer Umwelt thematisieren. Wir müssen nicht nur neue junge Seen beim Namen nennen, sondern auch andere Veränderungen benennen, die wir nicht immer wahrhaben wollen. Die Veränderungen in unserer Welt dürfen wir nicht verschweigen. Wenn Gletscherseen entstehen oder wenn Menschen auf der Flucht zu uns kommen, würden wir lieber wegschauen. Denn Wahrheiten können unangenehm sein.
Der Lösungsansatz, die Gletscher mit Schneekanonen zu retten oder die Menschen mit anderen Kanonen aufhalten zu wollen, wird scheitern. Das Leben sucht sich, wie das Wasser, immer einen Weg. Es sucht nach Veränderung, es kann gar nicht anders.
Die Menschen am Ätna machen es seit Jahrtausenden vor, wie man mit Veränderungen leben kann. Graubünden sitzt auch auf dem Vulkan.
Ernst Bromeis, Davos-Platz im LandWASSERtal
Die Tourismus-total-Expertenrunde von GRHeute berichtet und kommentiert einmal wöchentlich über aktuelle Tourismusthemen für Graubünden. Unverblümt und direkt von der Front.