Zwischen allem und nichts ist nur ein kleiner Sprung – jener Sprung, der aus dem Sportfreak Dario Christen einen Tetraplegiker machte. Damit er wenigstens einen Teil von allem zurückbekommt und wieder nach Hause auf die Lenzerheide kann, sammelt seine Familie Geld über Crowdfunding. Dabei zählt jeder Rappen!
Fast 18 Jahre lang war Dario Christen Herr über seinen Körper. Sprang mit ihm über Freestyle-Skischanzen, fuhr mit ihm Downhill, tauchte mit ihm im Meer und jagte ihn übers Eis. Er machte eine Schreinerlehre, praktischerweise gleich unterhalb der Wohnung, die er mit seinen Eltern bewohnte, und träumte von noch mehr reisen.
Am 19. März dieses Jahres war Darios Bruder Severin noch in Partystimmung. Am Tag vorher hatte er mit seiner Mannschaft, den Long Beach Bombers in Los Angeles, noch seinen Geburtstag gefeiert. Alle kannten Dario, seit er im Januar bei einem Besuch auch mitgespielt hatte. Severin dachte daran, noch vier weitere Jahre in Los Angeles zu bleiben, Hockey zu spielen und das College zu besuchen.
Und dann änderte ein Telefonanruf alles. Seine Eltern mussten ihm sagen, dass Dario beim Freestyle-Skiing einen Unfall hatte. Dass er in Chur operiert und dann ins Paraplegikerzentrum Nottwil gebracht wurde. Ein Sprung und eine falsche Landung hatten ihm die ganze Bewegungskraft genommen. «Es war ganz schlimm», sagt Severin Christen über diesen Moment. Die Träume von vier Jahre College lösten sich in Luft auf. Eine Woche später war er in der Schweiz, an der Seite seines Bruders.
Fast fünf Monate später kämpft sich Dario – und mit ihm seine Familie – noch immer ins Leben zurück. Mittlerweile kann er seine Arme wieder bewegen. Die Hände sind noch immer unfähig dazu, und dass die Beine jemals wieder machen, was Dario gern hätte, weiss noch keiner. «Es liegt ganz an mir, was ich alles erreichen kann.» Ein paar wenige Sachen hat er sich schon erarbeitet: So druckt er am 3-D-Drucker selbst konstruierte Helferlein aus, die ihm den Alltag erleichtern. Auch das Handy bedienen geht problemlos: Vom Stift ist er abgekommen, jetzt muss der Knochen des kleinen Fingers der linken Hand daran glauben.
Weil für ein Bewegungsfreak ein elektrischer Rollstuhl undenkbar ist, rollt er sich mit den Armen selbst durchs Leben. Es geht ganz gut. Wenn da nur nicht die Eltern wären, die ein wachsames Auge auf ihren jüngeren Sohn haben. «Wir mussten lernen, ihn alleine machen zu lassen», sagen Roger und Irene Christen. Der Unfall hat den Prozess des Loslassens, in dem Dario als junger Erwachsener mittendrin war, gestoppt.
In dem Alter, in dem andere junge Erwachsene schon von der eigenen Wohnung träumen, muss sich Dario darauf einstellen, noch ein paar Jahre mit seinen Eltern zusammen zu wohnen. «Es wird noch einige Zeit gehen, bis Dario wirklich selbständig leben kann», sagt Roger Christen. Es ist dennoch das Ziel aller Beteiligten.
Claudia Züllig, die Gastgeberin im Hotel Schweizerhof Lenzerheide, ist von Darios Unfall doppelt betroffen. Zum einen ist Darios Vater ihr Küchenchef, zum anderen ist Dario ein guter Freund ihres Sohnes. Die beiden jungen Männer waren an diesem 19. März zusammen unterwegs, doch hatte sich der Sohn der Zülligs schon vor dem fatalen Sprung von Dario verabschiedet.
Dass Dario Christen zurück auf die Lenzerheide kann, ist auch ihr Verdienst. Sie war es, die aufgrund der Gästerückmeldungen ein Spendenkonto einrichtete, und sie ist es jetzt auch, die das Crowdfunding auf die Beine gestellt hat. «Es ist eine wahnsinnige Solidarität zu spüren», sagt die Gastgeberin – und sagen auch Roger und Irene Christen.
Es gibt auch noch einiges zu tun: In die alte Wohnung oberhalb der Schreinerei kann Dario nicht zurück – ebensowenig wie er auch die Lehre beenden kann. Es hat weder Platz für einen Lift noch Platz für einen Rollstuhl. Deshalb braucht er eine neue Wohnung, denn dass er zurück auf die Lenzerheide soll, das ist für alle Beteiligten klar: «Wir können ihn nicht aus seinem Umfeld heraus reissen», sagen seine Eltern, und sagt auch Claudia Züllig.
Die Crowdfunding-Aktion «Neustart für Dario» startet heute. Wer ihm helfen will, kann hier spenden. Ganz wichtig: Schon jeder kleinste Beitrag zählt und kann bequem per SMS gespendet werden Die Gegenleistungen sind auf der Site aufgeführt, doch wollen wir hier auf zwei spezielle Sachen aufmerksam machen: Für 500 Franken gibt es im Sommer 2017 ein Gönneressen mit einem eigens kreierten Essen von Küchenchef Roger Christen. Und für 1500 Franken kann man zu zweit im Hotel Schweizerhof übernachten.
«Es wäre schön, wenn wir Dario so einen Neustart ermöglichen könnten», sagt Claudia Züllig. Darios Eltern fällt es noch schwer, Hilfe anzunehmen. «Wir haben nie welche gebraucht, wir haben immer alles geschafft.» Noch schwerer fällt es Dario, der seinen Körper immer unter Kontrolle hatte. «Aber es nutzt nichts, nach hinten zu schauen oder sich zu fragen, warum es gerade mich getroffen hat. Ich muss vorwärts schauen und das Beste daraus machen, das möglich ist.»
Noch einmal: Wer einen Beitrag zu Darios Neustart leisten will, der gehe bitte hier entlang.
(Bilder: Familie Züllig, GRHeute)