Lina Moser ist Bloggerin aus Grüsch und porträtiert in unregelmässigen Abständen «Lüt vu Graubünda». Dabei berichtet sie über einen Aspekt aus dem Leben von «normalen» BündnerInnen. Der Blog ist lose angelehnt an die populäre Webseite «Humans of New York».
Yvonne Michel, 35, Freie Architektur- und Kunstschaffende, Chur/Zürich
«Gemeinschaft ist Luxus»
Das Leben in einer Genossenschaft verbindet für mich fast alles, was ich mir positiv vorstelle. Kinder wachsen mit anderen Kindern auf, man profitiert von anderen, nicht nur in der Kinderbetreuung, und man spart enorm viel alleine dadurch, dass Sachen geteilt werden. Nicht jeder muss dasselbe kaufen, was der Nachbar schon hat. Dadurch spart man Arbeit. Verrückt, wenn man bedenkt, dass in Einfamilienhaussiedlungen jeder einen eigenen Rasenmäher hat! In unserer Genossenschaft wohnen derzeit etwa 55 Leute, das Zentrum im Karthago bilden sozusagen der Genossenschaftsraum, wo gemeinsam gegessen wird und die Küche. In der Küche haben wir zwei Köchinnen engagiert, die für uns abwechselnd von Montag bis Freitag einkaufen, kochen und was sonst noch dazugehört. Es ist für mich billiger, mich mit 150 Franken am Lohn der Köchinnen zu beteiligen, als mir mein Essen den ganzen Monat selber zu kaufen. Womit wir auch beim nächsten Sparpunkt wären; ich spare Zeit dadurch, dass ich nicht selber einkaufen und kochen muss.
Aber ich wohne nicht dauerhaft in Zürich. Meistens bin ich noch zwei bis drei Tage in Zürich, wo ich als Freischaffende in einem Büro arbeite, den Rest der Woche und oft auch an den Wochenenden wohne ich mit meinem zukünftigen Mann in Chur. Ich bin gerne in Chur, es ist kleiner und überschaulicher. Durch meine Tätigkeit für das «Kabinett der Visionäre» und mein politisches Engagement bin ich in Chur nicht so anonym wie in Zürich. In Zürich gefällt mir, dass man mich leben lässt, wie ich es will. Es interessiert auch niemanden. In Chur dafür winken Leute dir auf der Strasse zu oder man trifft sie im Lieblingskaffee, was ja auch seine Qualität hat.
Das viele Reisen macht mir nichts aus. Im Gegenteil! Da ich auch im Geiste zu frei bin, um immer am selben Ort sein zu können, kommt mir das sogar sehr entgegen und unsere heutigen Technologien erlauben es mir ja auch, trotzdem immer erreichbar zu sein. Es ist in meinem Sinne, dass ich als freie Architektur- und Kunstschaffende nicht ortsgebunden bin und am Schwarzen Meer oder eben wie jetzt, in Conters auf der Alp, sein kann. Hier mache ich gerade bei der Artist Residency «Kunstluft» mit, wo wir zu neunt mehrere Maiensässe in Conters bewohnen und naturgebundene Kunst schaffen. Bis zur Vernissage am 11. Juni gibt es noch einiges zu tun!
(Bild: Marietta Kobald)