Happy Birthday, Broncos (Juniors)!

Die Calanda Broncos feiern heute ihren 25-jährigen Geburtstag. Auch die U19 hat Grund zum Jubeln, sie feiert ebenfalls einen «Runden». Vor 20 Jahren entstand die erste Junioren-Mannschaft der damaligen Landquart Broncos.

Die Broncos gehören mittlerweile zum alten Eisen in der Schweizer American Football Geschichte und besitzen solide Strukturen und erfolgreiche Teams mit vielen Coaches. Das war nicht immer so:

1994 versendete der damalige Präsident der Broncos einen Brief (per Post) an ein halbes Dutzend Teenager im Rheintal mit der Information, dass die Landquart Broncos eine Junioren-Mannschaft aufbauen und Spieler suchen. Das war damals eine verrückte Sache, zumal der Sport American Football erst seit drei Jahren in Graubünden existierte und überall auf Ablehnung stiess. Dazu kam, dass nicht nur der Ruf des Sports, sondern auch des Clubs damals, gelinde gesagt, miserabel war. Keine Mutter liess ihren Sohn diesen Sport ausüben, zu brachial, zu unbekannt, zu fremd war das alles.

Ich erhielt damals einen solchen Brief. Am nächsten Tag erzählte ich meinen Kollegen in der Schule davon. Der allgemeine Tenor war Gelächter und ein schnelles Abwinken. Die Fussballer-Kollegen grinsten ab meinen Bemühungen, sie davon zu überzeugen, mitzumachen. Eine Diskussion entstand darüber, wie bescheuert dieses Rugby oder American Football doch sei. Und Broncos. Was für ein bescheuerter Name.

Andreas Gasser, RB bei den Calanda Broncos Juniors 2008 gegen die Thun Tigers.
Andreas Gasser, RB bei den Calanda Broncos Juniors 2008 gegen die Thun Tigers.

Ein anderer Schulkollege war damals bereits einmal in den USA und verabscheute Fussball. Um die Diskussion anzuheizen, schoss er dazwischen: «Ich bin dabei! Football ist viel geiler als Fussball!» Nun waren wir zu zweit. Und plötzlich kippte die Stimmung, und am Ende der Pause waren wir insgesamt vier Teenies, die sich entschlossen, American Football zu spielen.

Einen Monat später fand das erste Meeting der Broncos Juniors statt. Jeder versuchte bis dahin, noch weitere Kollegen davon zu überzeugen, so dass wir am Ende rund ein Dutzend Jugendliche waren, die sich zum ersten Mal versammelten.

Rückblickend ist es amüsant: Wir waren committed, und versuchten alle davon zu überzeugen, dass Football der beste Sport der Welt sei. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte aber noch keiner von uns (oder allgemein noch nie ein Teenager in Graubünden) überhaupt einen Helm angezogen oder einen Block gesetzt. Wir hatten keine Ahnung. Absolut null.

Diese Ignoranz war es, die uns wohl irgendwie zusammen schweisste. Die ersten Jahre der Broncos Juniors waren ein Abenteuer sondergleichen. Ich habe in meinen Leben wenige Erfahrungen gemacht, die lehrreicher, lustiger, härter und schöner waren als die Ursprünge der Broncos Juniors.

Die ersten 16 Monate trainierten wir ohne Ausrüstung, zweimal pro Woche. Der Grund, dass wir ohne Pads trainierten, war, dass wir schlichtweg keine hatten. Der Club hatte sich zum Ziel gesetzt, in die NLA aufzusteigen. Eine Bedingung für den Aufstieg war, dass ein Team eine Junioren-Equipe hat. Nur fehlten den Broncos damals die Mittel an allen Ecken und Enden. So kam es, dass wir rund eineinhalb Jahre ohne Pads trainierten. Der Club hatte ganz einfach keine Ressourcen.

Lukas Lütscher, WR und MVP im Swiss Bowl 2011 bei den Calanda Broncos.
Lukas Lütscher, WR und MVP im Swiss Bowl 2011 bei den Calanda Broncos.

Ein gutes Beispiel dafür ist dieses eine Training, an das ich mich blendend erinnere: Die Broncos Juniors hatten damals extrem widrige Bedingungen, um etwas aufzubauen. Trotz unzähliger Bemühungen des Vorstandes gab es zu Beginn weder Equipment, noch Lager, noch Garderoben, noch Plätze. So auch an diesem Abend: Aus irgendwelchen Gründen musste das Donnerstagabend-Training abgesagt werden, da unser damaliger Coach nicht vor Ort sein konnte und der Platz gesperrt war. Wir wollten aber trotzdem trainieren und beschlossen, für das Training selbständig nach Maienfeld auszuweichen. Bereits auf der Autofahrt dorthin begann es an diesem kalten Abend, in Strömen zu regnen. Wir waren nur neun Spieler und hatten keinen Coach vor Ort. Und: Wir hatten genau einen einzigen Ball. Ein Plastikball, den ein Spieler im Kofferraum hatte. Egal. Die Bedingungen waren miserabel, aber wir wollten einfach diesen neuen Sport spielen, und dieses Abenteuer gemeinsam erleben.

Die Pferdewiese in Maienfeld ist ein Feld mit grossen Furchen und ungeschnittenem Gras. Der Platz ist holprig, übersäht von Pferdehuf-Gräben, und Knöchelverstauchungen sind normal. Selbstverständlich gibt es weder Duschen noch Umkleidekabinen. Es ist schlussendlich einfach ein Acker, der ganz entfernt an einen Sportplatz erinnert. Am östlichen Rand beginnt ein Wald und westlich endet das Feld mit einem kleinen Bach und der Hauptstrasse.

Dieser Bach ist es, der die Geschichte so erinnerungswürdig macht: Bereits beim Warmup im triefenden Regen waren wir alle komplett durchnässt und voll Schlamm. Das Wetter und die widrigen Umstände spielten keine Rolle mehr, wir waren im Element. Wir kämpften miteinander gegen einen imaginären Gegner und schrien uns das Herz aus der Seele: Go Broncos Juniors!

Wir waren ein wilder Haufen, die Football liebten, aber nicht sehr gut darin waren: Nach rund einer Viertelstunde warf ich einen Pass weit über den Receiver hinaus – und der Ball landete direkt im Bach. Und da es wie in Strömen regnete, floss dementsprechend viel Wasser hinunter.

Der Ball floss weg.

Wir schalteten schnell: «Das ist unser einziger Ball! Wir brauchen ihn!» Der Bach zog durch den Regen sehr schnell, und der Ball war bereits rund 50 Meter von uns weg und entfernte sich rasant. Die Lage schien hoffnungslos: Wir begannen, dem Ball hinterher zu rennen, doch der Bach war an diesem Abend reissend, und der Abstand zu unserer einzigen Chance, Spielzüge zu üben, blieb.

Trotzdem wollten wir nicht aufgeben. Der ganze Abend war schon voller Hürden und schwierigen Umständen. Die Alternative, einzupacken und nach Hause zu gehen, war nicht akzeptabel. Also rannten wir weiter, was das Zeug hielt. Wir rannten gegen den peitschenden Regen und und keuchten uns die Lunge aus dem Leib. Nach einer halben Stunde Hardcore-Konditionstraining sahen wir den Ball verlangsamen und nutzten unsere Chance: Wir überholten das Leder (das Plastik) und kletterten mit Ästen bewaffnet in den Bach. Dabei hielten wir unsere Teamkollegen an den Beinen, so dass diese den Ball aus dem Wasser fischen konnten.

Wir hatten es geschafft! Wir jubelten, schrien, lagen uns in den Armen, es war unglaublich. Wir hatten den Widrigkeiten getrotzt, und kamen am Ende gemeinsam als Sieger heraus. Wir lernten die wichtigste Grundlektion von Amercan Football. Wir waren gemeinsam die Champions, und niemand konnte uns was anhaben. Es dauerte weitere 45 Minuten, bis wir zurück bei den Autos waren, und klitschnass, komplett verschlammt und mit einem Grinsen nach Hause fuhren. Good practice, guys. Good fucking practice.

Andreas Gasser, RB bei den Calanda Broncos im Swiss Bowl 2011 gegen die Basel Gladiators
Andreas Gasser, RB bei den Calanda Broncos im Swiss Bowl 2011 gegen die Basel Gladiators

In unserer ersten Saison 1996 verloren wir sämtliche Spiele. Einzig gegen Feldkirch schafften wir ein Unentschieden, ansonsten gingen wir teilweise böse unter. Wir verstanden wenig von Football und mussten viel Lehrgeld bezahlen. Aber wir hatten Spass, setzten uns füreinander ein und kämpften, was das Zeug hielt. Der Grundstein für die richtige Einstellung war gelegt.

1997 erreichten wir dann bereits das erste Mal das Halbfinal, und ein Jahr später bezwangen wir als erstes Broncos-Team unseren damaligen Erzrivalen, die Seaside Vipers. 2001 stiessen die Juniors dann zum ersten Mal bis ins Finale vor und seit rund acht Jahren gehören die Broncos Juniors konstant zu den Top-Teams der Schweiz. Seit 2010 feierte die U19 drei Schweizer Meistertitel, kein anderes Team war in diesem Jahrzehnt erfolgreicher. Und die Liste der Spieler, die die Junioren-Abteilung der Broncos durchlaufen, ist eindrücklich: Von Tino Muggwyler (Juniors 2001-2005) über Lukas Lütscher (2006-2009) bis hin zu Dea Baumann (2008-2012) und Alex Raich (2011-2015) – die Broncos Juniors bringen regelmässig Schweizer Top-Talente heraus und bilden so die wichtigste Lebensader für den Erfolgsverein.

Heute sind die Broncos Juniors eine der grossen Mächte im Schweizer American Football. Die Junioren-Abteilung der Calanda Broncos umfasst mittlerweile über 100 Spieler, vier Teams und ein Dutzend Coaches mit internationaler Erfahrung. Dazu kommen Ausrüstungen für alle Spieler, eine eigene Garderobe, fixe Trainingsplätze. Heute ist eine Mutter stolz, wenn ihr Sohn Football spielt. Die Broncos Juniors sind mittlerweile bekannt dafür, nicht nur eine sportliche Top-Ausbildung zu bieten, sondern auch eine Schule fürs Leben zu sein. Und als Spieler der Broncos Juniors weiss man, dass man Teil von etwas Speziellem ist, das auch 20 Jahre später noch einen Teil im Herzen haben wird.

Heute darf jeder, der einmal Broncos Juniors war, stolz sein.

Broncos Bumaye!

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Dea Baumann, QB Calanda Broncos Juniors 2012

 

(Bilder: Calanda Broncos Archiv, Daniel Good, Gonzalo Garcia/EQImages)