Mit dem alpinen Tourismus geht’s abwärts, lesen wir die letzten Monate wöchentlich in Zeitungen und Zeitschriften aller Art. Hauptverantwortlich sind der Frankenschock, dem die Touristiker nicht entgegenhalten können oder die fehlende Gastfreundschaft und Dienstleistungsorientierung, die in Nachbarländern viel besser ist. Innovation fehlt seit langem und die fehlenden Gäste aus den Wachstumsmärkten in Asien, die anderen Bergdestinationen steigende Zahlen bringen, zeigen nun Wirkung. Ja, mit dem alpinen Tourismus geht’s abwärts. Und nun steigen Sie wieder aufs Parkett, die altgedienten Politiker und Touristiker, die Lösungen von früher präsentieren und wissen, was falsch gemacht wurde und wird! Und endlich – wie von alt-Bundesrat Adolf Ogi bereits im letzten Herbst gefordert – lädt Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann zum Tourismusgipfel!
Ein Tourismusgipfel mit Beteiligung aller involvierten Verbände und Fachpersonen bringt wahrscheinlich ähnlich viel wie der letzte Klimagipfel. Die gemeint bekannten Ursachen werden wiedergekäut, boomende Märkte als heilbringendes Erfolgsmittel erkannt, mehr Marketingmittel gefordert, die Hauptschuld dem Franken zugespielt und Zuversicht gesät. Man gibt sich die Hände für ein letztes Gruppenfoto und kehrt zurück zum Tagesgeschäft.
Wenn man sich täglich an der Basis mit all den angesprochenen Themen auseinandersetzt, hat man eine etwas differenziertere Ansicht, die ich wie folgt beschreiben würde:
- Über den starken Franken zu diskutieren lohnt sich genau so wenig wie über die Gründe für unsere hohen Preise. Diese sind Teil des Schweizer Systems, ausgelöst und gestärkt durch das hohe Lohnniveau, die hohen Produktionskosten oder die fehlende staatliche Unterstützung.
- Fehlende Gastfreundschaft oder fehlende Leistungsbereitschaft erlebe ich in nur ganz wenigen Fällen, und dies passiert oft dort, wo man es bereits auf den ersten Blick erwartet. Ein Leistungsträger, welcher eine hohe Qualität anpreist, kann es sich gar nicht mehr leisten, unfreundlich zu sein. Die Schweizer Gastgeber sind vielleicht kühler als unsere österreichischen Mitbewerber, was im Naturell des Schweizers liegt, aber sicher sind sie nicht unfreundlicher.
- Wer heute erfolgreich im asiatischen Markt auftritt, ist nicht erst seit gestern mit vielen Geldmitteln präsent. Neben einer langjährigen Partnerschaft hat er einen USP, welcher nur einmal zu erleben ist. Den Bündner Destinationen fehlt das Matterhorn, James Bond, Erlebniswelten oder auch ein Jungfraujoch. Und wer z.B. auf die Karte China setzt, muss dies gesamtheitlich machen (Essen, Sprache etc.) und nicht nur halbherzig.
Im Tagesgeschäft scheitern wir Touristiker viel mehr an Rahmenbedingungen, welche uns das Leben schwer machen. Was nützen innovative Ideen, Anfragen für spezielle Events oder Erweiterung von Infrastrukturanlagen, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Verbandseinsprachen, «Gärtlidenken» oder finanzielle Engpässe bereits zu Beginn die Euphorie rauben. Einige Beispiele gefällig?
- Die einmalige Nutzungserweiterung der bestehenden Cross Country Weltcup-Strecke um vier Wochen für ein Händlermeeting, welche rund 250’000 Franken Wertschöpfung nach Graubünden bringt, wird von Verbandsseite mit übermässigen Forderungen von Gutachten und Kontrollen blockiert.
- Ein gesamtheitliches Graubünden-Denken hat bei den Destinationen eingesetzt. In vielen Gesprächen merken wir, dass die Kooperationsbereitschaft bei den DMO’s gestiegen ist. In vielen Gemeindeparlamenten, bei Leistungsträgern und bei der Bevölkerung ist aber immer noch der eigene Garten wichtiger als ein funktionierender Acker.
- Bestehende Grossevents, welche nachweislich Wertschöpfung nach Graubünden bringen, haben immer mehr Probleme, grosse Sponsoren an Land zu ziehen. Obwohl die Wichtigkeit und die Wertschöpfung dieser Anlässe bekannt ist und auch zugesagt ist, ist eine höhere finanzielle Unterstützung aus kantonalen Förderungsgeldern nicht möglich.
- Es gibt sie noch, die Visionäre mit Ideen, die zum Nachdenken anregen. Anstelle diesen Personen mit meist gesundem, finanziellem Hintergrund die Türen zu öffnen, Unterstützung auch in Graubereichen der Gesetze und Verordnungen zuzusagen und Risiken auf sich zu nehmen, werden Hürden eingebaut, Zeit geschindet und Päckchen geschnürt, welche auf Eigenprofit basieren.
Sie denken jetzt vielleicht, dass ich ähnliche Töne anschlage wie die von mir kritisierten Tourismusgipfel-Teilnehmer, dass ich bereits resigniert habe und die schwierige Lage auch akzeptiert habe. Wenn ich ehrlich bin – und das bin ich – manchmal ist es schon so! Aber dann gehe ich in meine Destination hinaus und unterhalte mich mit der Basis, mit unseren Hoteliers oder Bergbahnangestellten, mit Gastronomen oder Buschauffeuren, und ich lasse mich anstecken von der Freude dieser Menschen, welche der Tourismus in ihnen weckt und welche sie weitergeben an unsere Gäste aus Nah und Fern. Und ich kehre zurück an meinen Arbeitsplatz mit dem festen Glauben, dass wir trotz aller Widrigkeiten auf dem richtigen Weg sind – trotz oder auch dank des anstehenden Krisen-Tourismusgipfels.
Die Tourismus-total-Expertenrunde von GRHeute berichtet und kommentiert einmal wöchentlich über aktuelle Tourismusthemen für Graubünden. Unverblümt und direkt von der Front.