Ein Kommentar von alt-Ständerat Christoffel Brändli zur Abstimmung «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» (Milchkuhinitiative) vom 5. Juni.
Die Milchkuhinitiative will, dass die von den Autofahrern geleisteten Beiträge in den Verkehr fliessen und nicht mehr zum Teil in den Bundeshaushalt. Im wesentlichen geht es um die Frage, ob 1,5 Milliarden Franken in den Verkehr fliessen sollen oder weiterhin in den Bundeshaushalt. Der vom Bundesrat ausgewiesene dringliche Mehrbedarf für die Strassen beträgt nämlich ab 2016 mehr als eine Milliarde, später sogar mehr als 1,5 Milliarden Franken. Der neue Finanzminister sitzt, wie alle Finanzminister, auf dem Geld und hat seine früheren Sparforderungen offensichtlich bereits vergessen: Was man hat, soll man auf keinen Fall für andere Zwecke verwenden, Kürzungen im Bundeshaushalt sind tabu! Und sofort wird à la alt Bundesrat Leuenberger gedroht: Wird die Initiative angenommen, müssen die populären Bildungsausgaben, die Landwirtschaftssubventionen und die andere Ausgaben des Bundes massiv gekürzt werden.
Und auch die alte Leier, die Perspektiven für die Bundesfinanzen seien schlecht, wird einmal mehr gebetsartig widerholt. Das machen alle Finanzminister jedes Jahr so und weisen dann Überschüsse in der Rechnung aus. Der Bund in den letzten 5 Jahren insgesamt über 10 Milliarden Franken!
Verkehrsfinanzierung im Argen
Die Schweiz rechnet gegenwärtig mit Staukosten von rund 1 – 1,5 Milliarden Franken jährlich. Vielerorts sind die Verkehrsinfrastrukturen hoffnungslos überlastet. Dabei nehmen die Einnahmen aus Benzinzöllen tendenziell ab, weil die Fahrzeuge immer weniger Benzin brauchen oder gar auf Strom ausweichen. Auch der Tanktourismus ist um hunderte Millionen Liter eingebrochen. Das ist nicht verwunderlich, nachdem unsere Nachbarländer teilweise wesentlich tiefere Benzinpreise als die Schweiz anbieten. Der Tanktourismus läuft immer mehr in umgekehrter Richtung gegenüber früher. Die vom Ständerat empfohlene Erhöhung des Benzinpreises um 4 Rappen wird diesen Trend zusätzlich verstärken und wahrscheinlich zu einem Nullsummenspiel werden. Von einer Deckung der anfallenden Kosten kann deshalb keine Rede sein.
Verkehrsinfrastrukturen sind Lebensader
Gute Verkehrsinfrastrukturen sind die Lebensader einer Volkswirtschaft. Das trifft insbesondere auch für unseren peripheren Tourismuskanton zu. Wer nicht einen «wirtschaftlichen und finanziellen Herzinfarkt» riskieren will, muss sicherstellen, dass das Blut gut fliessen bzw. der Verkehr gut fliessen kann. Die heutige Bundesverkehrspolitik wird dabei mit Ausnahme des Gotthards immer mehr auf die Agglomerationen und die Engpässe in den Nationalstrassen konzentriert. Für mehr reichen die Mittel nicht aus, im Gegenteil, es muss damit gerechnet werden, dass der Bund sich immer mehr aus der Kantonsstrassenfinanzierung zurückziehen muss. Die Bergler werden demnach mehr für das Benzin bezahlen und weniger für ihre Verkehrsinfrastrukturen erhalten!
Milchkuhinitiative=Chance für die peripheren Gebiete
Die Milchkuhinitiative ist erfreulicherweise nicht nur auf die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr ausgerichtet. Mit ihr sollen insbesondere auch die Kantonsstrassen sowie Massnahmen in die Sicherheit von Bergstrassen finanziert werden. Für Graubünden mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für die Strassen wird die Bereitstellung von genügend Mitteln für den Strassenbau und – und Unterhalt entscheidend sein für die Zukunftsperspektiven des Kantons. Gute Strassen und gute Busverbindungen sowie attraktivere Bahnverbindungen sind dabei entscheidend. Der Strassenbau- und –unterhalt ist auch ein entscheidender Faktor im Arbeitsmarkt unseres Kantons. Nur wenn es gelingt, das heutige Niveau mindestens zu halten, wird auf lange Sicht die dezentrale Besiedlung unseres Kantons aufrecht erhalten werden können.
Bündner einmal mehr benachteiligt?
Ohne zusätzliche Mittel für den Verkehrsbereich wird die Lage für die peripheren Gebiete unseres Landes prekär. Die Ueberschüsse der letzten Jahre sowie die Möglichkeiten im 70-Milliardenhaushalt des Bundes 2% Einsparungen zu erzielen, zeigt, dass die Umlagerung von 1,5 Milliarden Franken in den Verkehrsbereich verkraftbar ist. Bei der Abstimmung um die Milchkuhinitiative geht es um eine wichtige Weichenstellung, nicht darum dem Finanzminister die Möglichkeit zu geben, wie bisher wie eine «Gluckere» auf dem Geld zu sitzen. Aus dieser Sicht ist es sehr erfreulich, dass die neuen designierten Präsidenten der CVP und der SVP sowie die designierte Präsidentin der FdP die Initiative unterstützen. Von den Bündner Parlamentariern hört man wenig, allenfalls die unglaubliche Aussage, man werde eine Benzinpreiserhöhung wohl schlucken müssen! Es ist zu hoffen, dass die bürgerlichen Parteien ihre nationalen Präsidenten nicht im Regen stehen lassen und sich für eine breite und gerechte Verkehrsfinanzierung einsetzen. Die Abstimmung ist nämlich nur mit vereintem Einsatz zu gewinnen.
(Bild: Julierpass-Strasse/Wikipedia)