Linas Blog: Lüt vu Graubünda

Lina Moser ist Bloggerin aus Grüsch und porträtiert in unregelmässigen Abständen «Lüt vu Graubünda». Dabei berichtet sie über einen Aspekt aus dem Leben von «normalen» BündnerInnen. Der Blog ist lose angelehnt an die populäre Webseite «Humans of New York».

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Rahel Torp, freischaffende Künstlerin, 32, Grüsch

«Die Amsel kam zuletzt»

Jeder Mensch macht Listen, seien es Einkaufs- oder To-Do-Listen. Meine Listen sind anders. Sie tragen Titel wie zum Beispiel «Vögel, die ich an ihrem Laut erkenne», «Menschen mit schönen Händen» oder «Zufällig auf der Uhr erblickte Schnapszahlen, bei welchen ich automatisch an meinen Vater denke». Wobei die zuletzt genannte Liste wohl die erste ist, die nicht mehr weitergeführt wird, da ich mittlerweile bei den zufällig auf der Uhr erblickten Schnapszahlen zuerst an die Listen denken muss. Die Idee zu den Listen entstand durch den Verlust von Mama, als mir bewusst wurde, dass alles verblasst, auch der Mensch. Erinnerungen verblassen und zurück bleiben Gefühle. Gefühle, die wieder aufleben, wenn man einen bestimmten Duft riecht oder ein bestimmtes Geräusch wahrnimmt. Ich will so viele Erinnerungen wie möglich festhalten. Das Ausstellen ist der letzte Prozess, der meine Listen endgültig zur Arbeit macht. Ich freue mich! Und frage mich, ob jemand bei den Listen stehen bleibt, sie liest, und wenn ja, aus welchem Grund? Ist es voyeuristisch, diese zum Teil doch sehr persönlichen Listen zu lesen? Ich bin gespannt! Auch freue ich mich, die Amsel, die zuletzt auf die Liste kam, wieder zu lesen und mich an sie zu erinnern. Sie habe ich vor kurzem um knapp nach vier Uhr morgens, noch wach im Bett liegend, mitten in der Stadt Chur gehört – und erkannt!

 

Gruppenausstellung im «Kabinett der Visionäre» in Chur, 01.04. – 17.04.2017

 

(Bild: Lina Moser)