Danke, EHC Arosa TV!

Gestern Abend spielte der EHC Chur in Arosa das zweite Spiel der Viertelfinal-Serie. Ich entschied mich, das Spiel im Live-Stream zu verfolgen.

 

Wer dem EHC Arosa auf Twitter folgt, hat die Möglichkeit, mit der Gratis-App Periscope TV sämtliche Arosa Spiele live im Internet zu schauen. Die Nutzung eines solchen Kanals ist für Bündner Vereine neuartig und insofern revolutionär für unseren leicht rückschrittlichen Kanton. Und auch wenn das Ganze noch in den Kinderschuhen steckt, ist es bereits jetzt eine Bereicherung fürs Eishockey. Während mehrere Clubs im Kanton noch nicht einmal einen Internetauftritt haben und als einzige Marketing-Massnahme ein im Microsoft Word gestaltetes Falzprogramm präsentieren können, liegen die Schanfigger bereits um zwei Längen vorne und zeigen sich von der gewieften Seite.

Zu Spielbeginn sind rund zwei Dutzend Zuschauer online, die Erwartungen der Fans sind klar: Ein spannendes Derby, wobei die Mehrheit sich einen Sieg des EHC Arosa wünscht. Während die Spieler aufs Eis kommen, fasst Kommentator Marco nochmals die erste Partie vom Dienstag zusammen und erklärt die Chat-Regeln. Dann geht’s los.

Das Spiel beginnt, die Übertragung läuft.

Gerade die beiden Top-Skorer Patrick Brändli und Michael Loosli sind es, die in den ersten zehn Minuten zwei Strafen einfangen und so dazu beitragen, dass der EHC Arosa zu Beginn nicht richtig ins Spiel findet. Chur hat mehr Spielanteile, aber wirklich zwingend sind nur wenige Aktionen. Das Spiel plätschert trotz Intensität vor sich hin. Mehr und mehr User tröpfeln bei Arosa TV rein, gewisse bemerken die tiefe Qualität des Streams.

Erst nach Spielhälfte schafft es Arosa ein erstes (und einziges) Mal den stark spielenden Churer Goalie Sarkis zu bezwingen. Nach einer Puckeroberung im Churer Drittel ist es Gianmarco Guidon, der die Vorlage von Amstutz via One-Timer zum 1:0 verwandelt. Marco, der Kommentator, und die meisten User freuen sich und teilen dies entsprechend mit, die Churer Fans akzeptieren das und zeigen sich sportlich abwartend. Ende des zweiten Drittels sind mittlerweile 70 User online und verfolgen das Spiel.

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Man spürt es. Chur ist in Lauerstellung. Irgendwie kommen Parallelen zum Spiel am Dienstag auf: Arosa kämpft, läuft mehr und hat mit Loosli den überragenden Spieler auf dem Eis. Andrin Kunz spielt im Tor eine fehlerlose Partie. Und trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass Chur noch einen Gang höher schalten könnte und nur auf den richtigen Moment wartet.

Gleich zu Beginn des dritten Drittels fällt der Ausgleich. 1:1. Die Churer Fans jubeln, die Arosa Fans ahnen Böses. Ein weiteres Comeback der Hauptstädter?

Es steigen weitere Zuschauer ein. Mittlerweile kratzt der Stream an der 100-User-Grenze. Die Fans chatten miteinander, Marco beantwortet die Fragen live. Als ein User fragt, wie viele Zuschauer im Stadion sind, ist der sympathische Kommentator ratlos und spielt die Frage an die User zurück. Schnell kommt von einem anderen Fan die Antwort. 1273 Besucher. Die Community ist aktiv, Arosa TV funktioniert.

Die Qualität des Streams lässt bei einigen User anscheinend weiterhin zu wünschen übrig. Marco entschuldigt sich mehrfach für die schlechte Internetverbindung im Schanfigg. Das ist nicht die einzige Panne. Ab und zu folgt die Kamera dem Puck nicht. Und man sollte nicht wegschauen, denn Replays gibt es keine. Genau so wenig wie Einblendungen oder Pausen-Programm. Es gibt auch kein Scoreboard oder Uhrzeit. Strafen werden auch nirgends angezeigt. Teilweise fehlen Marco die Worte, und die Spieler vom EHC Chur sind hauptsächlich «der Churer Stürmer» oder der «Churer Verteidiger». Namen fehlen. Es geht schlichtweg zu schnell, um Chat, Videofeed und Kommentieren gleichzeitig auf professionellem Niveau zu halten.

Das alles spielt aber absolut keine Rolle. Arosa TV ist etwas vom Besten, was dem Bündner Hockey in den letzten Jahren passiert ist. Die Nutzung eines kostenlosen Stream-Formats, um die eigenen Spiele zu übertragen, ist einfach nur genial und clever. Schwankende Qualität hin oder her. (Mein Stream war übrigens das ganze Spiel über flüssig und scharf). Es ist immer noch besser als Radio. Und Meilen besser als Zeitung am nächsten Tag. Nichts gegen Zeitung oder Radio (die guten alten Hasen), aber wenn vor 25 Jahren jemand gesagt hätte, dass es möglich wäre, den HCD in der 1. Liga live auf unserem Commodore 64 zu schauen, dann hätten wir ihn als Fantast ausgelacht. Das war vor einem Viertel Jahrhundert. Damals war ein Fax-Gerät modern. Leider haben gewisse Teams immer noch diesen Mindset.

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Die Zeiten ändern sich. Heute sind Möglichkeiten wie Periscope oder Youtube-Streams mit wenig finanziellen und technischen Mitteln möglich. Es braucht eigentlich vor allem viel Herzblut. Und das zeigt Arosa TV, und das spüren auch die User. Die Abstriche bei der Qualität werden für das gebotene Erlebnis gerne in Kauf genommen. (Das könnte der Slogan für das gesamte Internet sein). Das Format ist unkompliziert, nah und sympathisch, die Community familiär und freundlich. Stolperer oder fehlendes Wissen werden toleriert, man hilft einander. Kommentator zu User und umgekehrt. Wer wissen will, wie viel es steht, schreibt kurz in den Chat. Der Kommentator oder ein anderer User antwortet innert weniger Sekunden. Marco erntet zu recht viel Kompliment, die Form kommt angenehm und den Umständen entsprechend daher.

Nicht nur die anderen regionalen Teams sollten sich ein Beispiel nehmen und sich die neuen Medien zu Nutze machen. Auch der HCD könnte sich ein Beispiel nehmen am Amateurclub. Schlussendlich schafft es Arosa mittlerweile fast 10% der Zuschauer an die Marke zu binden. Und zwar nicht im Stadion, sondern am Smartphone. Ein treuer Stamm von gut 50 User ist praktisch an jedem Spiel online. Das nennt sich brand loyalty.

Chur gewinnt das Spiel übrigens nach drei Minuten in der Verlängerung mit 2:1, als Matchwinner zeichnet sich Manuel Holenstein mit dem Game Winner aus. Die Hauptstädter führen somit mit 2:0 in der Best-of-Five-Serie. Ein Sieg im nächsten Spiel wäre die Entscheidung. Marco bedankt sich bei allen User fürs Einschalten und verabschiedet sich, die User bedanken sich zurück für den tollen Service.

Es wäre auf jeden Fall schade, würde die Viertelfinal-Serie bereits am Samstag zu Ende sein. Alleine schon, weil es möglicherweise die letzte Übertragung von Arosa TV 2015/16 wäre.