Chur – Arosa: Kampf um die Vorherrschaft in der 1. Liga

Am nächsten Dienstag erfolgt in der Eishockey-Meisterschaft der 1. Liga Region Ost der Start in die Playoffs. In den Viertelfinals über «Best of 5» stehen sich der EHC Dübendorf und die GDT Bellinzona, der HC Biasca und der EHC Seewen, der EHC Frauenfeld und der EHC Wetzikon sowie im Bündner Derby der EHC Chur und der EHC Arosa gegenüber. 

Wenige Tage vor dem Auftakt im Churer Hallenstadion bietet sich die Gelegenheit, einen Blick auf die bewegte Geschichte der beiden Kantonsrivalen zu werfen, die beim EHC Arosa 1924 und beim EHC Chur 1933 ihren Anfang nahm. Beide Clubs erlebten seither unzählige Höhen und Tiefen und vor allem auch in den letzten Wochen blieb kein Stein auf dem anderen.

Vergebliche Aufstiegsträume

Der neunfache Schweizer Meister EHC Arosa eroberte den Titel letztmals 1982. Die damals rasch fortschreitende Professionalisierung des Schweizer Eishockeys, gestiegene Anforderungen an das Vereinsbudget sowie eine gewisse Sättigung des Zuschauerinteresses brachten den Club dann zusehends in Bedrängnis, sodass er nach Abschluss der Saison 1985/86 aus finanziellen Gründen freiwillig in die 1. Liga abstieg. Nach diversen Wechseln zwischen der 1. und der 2. Liga spielt der EHC Arosa seit der Saison 2005/06 in der dritthöchsten Liga.

Die Absicht, den Club bis zur Saison 2011/12 wieder in die NLB zu führen, scheiterte einerseits an den – insbesondere im Nachwuchsbereich – deutlich verschärften Anforderungen an Nationalliga- Vereine. Anderseits musste die erste Mannschaft in der Saison 2011/12 mit dem Nichterreichen der Playoffs – nur ein Jahr nach dem doch eher unerwarteten Gewinn des Ostschweizer Amateur-Meistertitels – einen herben sportlichen Dämpfer in Kauf nehmen. 2013/14 konnte der Abstieg in die 2. Liga nur knapp verhindert werden, sodass man sich im März 2014 nach sechs Saisons von Trainer Andreas Ritsch trennte.

Der Rückzug des Hauptsponsors vor Beginn der Saison 2014/15 führte zu einem riesigen Aderlass des Kaders. Trotz grossem Kampfgeist erwies sich das überforderte Team unter dem Cheftrainer Marcel Habisreutinger letztlich als nicht konkurrenzfähig und beendete deshalb die Meisterschaft abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Aufgrund vereinfachter Aufstiegskriterien in die zweithöchste Spielklasse plante die Vereinsführung des EHC Arosa zusammen mit anderen Leistungsträgern – als Alternative zum Abstieg in die 2. oder gar 4. Liga – sodann den Aufstieg in die NLB am grünen Tisch. Die Entscheidung der SIHF-Lizenzkommission fiel aufgrund der fehlenden Nachhaltigkeit des Vorhabens aber abschlägig aus. Wegen der Promotion des EHC Winterthur in die NLB und der Tatsache, dass keine Mannschaft aus der 2. Liga aufsteigen wollte, blieben die Aroser auch in der Saison 2015/16 in der 1. Liga spielberechtigt. Trotz einer zwischenzeitlichen Trennung sprach man schlussendlich auch Marcel Habisreutinger wieder das Vertrauen aus.

Weniger Tradition, aber viel Action

Auch der EHC Chur – je zweifacher Schweizer Meister der NLB und Schweizer 1. Liga-Meister der Amateure – weist eine kurze NLA-Vergangenheit auf, die allerdings nicht allzu ruhmreich ausfiel. Im Jahr 2000 spaltete sich die EHC Chur Sport AG vom Verein ab und übernahm den Spielbetrieb der ersten Mannschaft in der Nationalliga. Der Verein taufte sich in EHC Chur Capricorns um und war ausschliesslich für die Nachwuchsteams zuständig. Nach zwei Jahren in der höchsten Spielklasse stiegen die Churer 2002 in die NLB ab und im Frühjahr wurde ihnen wegen finanzieller Probleme von der Nationalliga auch noch die Lizenz verweigert, was den Zwangsabstieg in die 1. Liga nach sich zog. Bereits eine Saison später konnte der Gewinn des Schweizer Amateur-Meistertitels und

der Wiederaufstieg in die NLB gefeiert werden, wobei dem Stadtclub dann aber in sportlicher und auch in finanzieller Hinsicht ein eisiger Wind entgegen blies. 2008 zog sich der Verein freiwillig in den Amateurbereich zurück und die EHC Chur Sport AG musste Konkurs anmelden. Danach war der Verein EHC Chur Capricorns wieder für alle Mannschaften und den Spielbetrieb verantwortlich.

Durch die Talsohle zurück zum Erfolg

Nach nur einer Saison in der 1. Liga folgte in der Saison 2008/09 mit dem unnötigen Abstieg der ersten Mannschaft in die 2. Liga der nächste Rückschlag. Freiluftspiele in der Provinz gehörten zum Alltag, bis der EHC Chur im März 2011 wieder in die höchste Amateurliga aufstieg. Nach der Rückkehr in die 1. Liga konnten sich die Churer stets für die Playoffs qualifizieren, scheiterten aber dreimal in den Viertelfinals. Vor der Saison 2014/15 stand der Verein kurz vor dem Bankrott, der dann glücklicherweise abgewendet werden konnte.

Nach diesen vereinsinternen Unruhen folgte sportlich die beste Saison seit dem freiwilligen Abstieg aus der NLB. Nach dem dritten Rang in der Qualifikation und der Masterround gewannen die Hauptstädter nämlich in den Playoffs sowohl den Viertelfinal als auch den Halbfinal ohne Niederlage. Erst im Final wurde das von Herbert Schädler trainierte und gecoachte Team vom späteren Schweizer Amateur-Meister und NLB-Aufsteiger EHC Winterthur gestoppt. Seit Juni 2015 heisst der Verein übrigens wieder EHC Chur.

Turbulenzen neben dem Eis

Der EHC Arosa baute in der Meisterschaft 2015/16 – nach einer erfolgreichen ersten Saisonhälfte – bereits gegen Ende der Qualifikation stark ab und brachte anschliessend in der Masterround kein Bein mehr vor das andere. Um der jungen Mannschaft für die entscheidenden Spiele neuen Schub zu verleihen, wurde Marcel Habisreutinger zum Bauernopfer erkoren und als Cheftrainer durch den ausgewiesenen Eishockey-Fachmann Hermann Bruderer sowie kurzfristig durch den Feriengast         Dave Tietzen ersetzt. Trotz dieses schwer nachvollziehbaren Trainerwechsels blieb der EHC Arosa aber weitgehend erfolglos und konnte in der Masterround nur einen einzigen Dreier – ausgerechnet gegen den Kantonsrivalen – einfahren.

Der EHC Chur traf gleich anfangs der Saison 2015/16 im 1/16-Final des Swiss Ice Hockey Cup vor über 5000 Zuschauern auf den amtierenden Vize-Meister ZSC Lions und zog sich dabei durchaus achtbar aus der Affäre. Ansonsten verlief die Meisterschaft für die Churer sportlich bis heute aber eher durchzogen. Von grossem Verletzungspech geplagt zeigten sie zwar zwischendurch immer wieder positive Ansätze, liessen aber jegliche Konstanz und vor allem die notwendige Effizienz im Abschluss vermissen. Schliesslich trennte man sich – nach einer uninspirierten Leistung und der daraus resultierenden klaren Niederlage in Dübendorf – vor dem letzten Spiel der Masterround von Cheftrainer Herbert Schädler, der bekanntlich in den nächsten zwei Saisons beim EHC Arosa an der Bande stehen wird. Gegen den HC Biasca zeigte der EHC Chur sodann unter der Leitung des bisherigen Assistenztrainers Gerry Schneller und der beiden langzeitverletzten Rico Bonorand und Andreas John eine disziplinierte und engagierte Leistung, die mit einem verdienten Erfolg belohnt wurde.

EHC

Für die Playoffs verpflichteten die Vereinsverantwortlichen mit dem in dieser Saison beim HC Davos engagierten Marc Haueter einen „Übungsleiter“ mit Churer und Aroser Vergangenheit.

Andere Themen wichtiger als Playoffs?

Wenige Tage vor dem ersten Aufeinandertreffen müsste man meinen, der Fokus sei ganz auf den Sport gerichtet, zumal man jetzt beim EHC Arosa – zumindest aufgrund der Aussagen auf dem Ice Hockey Blog – die Gründe für das schwache Abschneiden in der Masterround zu kennen scheint.

Wenn man sich aber etwas umfassender informiert, kann man mit Erstaunen feststellen, dass die Verantwortlichen derzeit noch viel Zeit für andere Schauplätze zu haben scheinen. Der EHC Arosa ist beispielsweise überrascht, dass die HCB Ticino Rockets als offizielles Farmteam angenommen werden, da die Muttergesellschaft HC Ambri Piotta AG, die als Mehrheitsaktionärin für den neuen NLB-Club in den nächsten drei Jahren wirtschaftlich garantieren muss, seit Jahren selbst grosse Anstrengungen unternehmen muss, um die Lizenz für den HC Ambri Piotta zu erhalten. Und den Aspekt, dass die Ligaaufstockung die Chance bieten soll, in Zukunft mehr Spielern in der NLB zu ermöglichen, sich für einen Profivertrag aufzudrängen, hätten die Aroser in ihren Bestrebungen um die Aufnahme in die NLB schon stets als wichtigsten Punkt ins Feld geführt. Zudem will der EHC Arosa wissen, ob aufstiegswillige Clubs die Möglichkeit hätten, nachzurutschen, wenn NLB-Clubs die Spielberechtigung nicht erhalten oder sich freiwillig zurückziehen würden. Die NLB-Clubs SC Rapperswil-Jona Lakers, EHC Olten, EHC Visp und Hockey Thurgau würden sich darüber hinaus eine Rückkehr des Traditionsclubs in die NLB wünschen. Wohl nicht zuletzt deshalb, um dadurch die eigenen Hallen zu füllen.

Auch hätten sich die Aroser als einziger Club der Region Ost aufgrund der explodierenden Kosten seit jeher gegen die 2017 vorgesehene Einführung der Swiss Regio League ausgesprochen, denn zusätzliche Einnahmen durch die Teilnahme daran seien illusorisch. Auch wenn der EHC Arosa die Schaffung einer dritten Nationalliga ablehne, werde er sich aber um die Teilnahme bewerben, weil ihm nichts anderes übrig bleibe, als für die kurz- oder mittelfristige Rückkehr in die Nationalliga den Gang auf sportlichem Weg durch die Swiss Regio League zu nehmen.

Abwarten und den Puck flach halten

Ihr Hauptaugenmerk ganz auf die Playoffs gelegt zu haben scheinen dagegen die Verantwortlichen des EHC Chur. Laut Aussage von Sportchef Andy Grothenn seien sie zwar grundsätzlich für eine Teilnahme an der Swiss Regio League, würden aber zunächst einmal die Rahmenbedingungen abwarten. Die NLB sei derzeit – vor allem auch aus finanziellen Gründen – kein ernsthaftes Thema für seinen Verein. In der Trainerfrage sei man auf gutem Weg und mit den Spielern seien bereits diverse Gespräche geführt worden. Diese hätten sehr positiv auf den Trainerwechsel über Gerry Schneller zu Marc Haueter reagiert. Mit Ausnahme der beiden in den Trainerstab integrierten Rico Bonorand und Andreas John seien jetzt alle Verletzten, das heisst auch der zuletzt angeschlagene Simon Scherrer wieder mit von der Partie. Der Einsatz stimme, denn alle seien sich bewusst, dass die Karten neu gemischt werden.

EHC3

Der Sportchef des Stadtclubs blickt der sportlichen Auseinandersetzung mit dem Kantonsrivalen zuversichtlich entgegen. Zwar hätten die Aroser drei der bisher vier Direktbegegnungen für sich entscheiden können. Aber während die Leistungskurve des EHC Chur zuletzt deutlich nach oben gezeigt hat, ist doch recht ungewiss, wie gut die Youngsters des EHC Arosa die Niederlagenserie in der Masterround verdaut haben. Für Spannung ist jedenfalls gesorgt und für Stimmung werden zweifellos die Fans sorgen. Positiv an dieser sportlichen Konfrontation ist zudem, dass einer der beiden Bündner Clubs mit Gewissheit weiterkommen wird!

 

 

(Bilder: ehcfans.ch)