Philipp Gurts Bündnerfleisch – eine Rezension

Vor gut zwei Wochen bekam ich das aktuelle Buch des Bündners Philipp Gurt geschenkt. Ich wollte mir bewusst noch keine Interviews von ihm ansehen oder mit ihm persönlich einen Café trinken gehen. Nein, ich wollte mich ohne Vorbehalte und persönliche Meinungen in den Krimi Bündnerfleisch stürzen. So vereinbarten wir einen Abhol-Ort und er hinterlegte mir das Buch in einem Churer Buchladen. Für mich ist Kunst und Person immer schwierig zu trennen, darum wollte ich nun zuerst einmal das Buch lesen und mir später ein Bild der Person Philipp Gurt machen.

Also packte ich das gute Stück zu Hause aus und war überrascht, was für eine schöne Aufmachung das Buch vorwies. Nur schon die regenbogenfarbenen Lippen auf dem Cover haben mich magisch in ihren Bann gezogen.  Wenn es um Krimis geht, bin ich ein sehr heikler Leser, der auch Bücher mal nach zehn Seiten weglegt, wenn es mich nicht richtig berührt und/oder fesselt. Sebastian Fitzek ist mein Lieblingsautor und demnach habe ich das vorliegende Buch automatisch mit dessen Werke verglichen.

Das Buch beginnt packend mitten in Graubünden. Diverse Geschichten spielen sich parallel ab und der Sinn dahinter fügt sich erst auf den letzten Seiten zusammen. Ein brillanter Schachzug, denn der Leser muss das Buch akribisch bis zum Ende lesen, sonst wird er über den Verlauf der Geschichte im Dunkeln tappen.

Ein grosser Pluspunkt an der Geschichte ist, dass ein regionaler Bezug vorhanden ist. Ich fühlte mich entführt in die wundervollen Landschaften unseres Kantons. Nach dem Fleischskandal im Buch wartete ich nur noch drauf, bis der Firmenname «Carna Grischa» fiel, was dann jedoch nicht passierte. Ich fühlte mich ertappt, dank der Regionalität und dem aktuellen Bezug in der Geschichte, die Story ständig unterbewusst weiter zu denken. Meine Phantasie führte mir ständig neue Bilder vor Augen, welche vertraut wirkten. Bei den Namen dachte ich ständig, den müsste ich doch irgendwo her kennen. Vielleicht lag es an den Klängen der Bündner Geschlechter oder an den mir bekannten Orten, das ich ständig irgendwelche Déjà-vus hatte. Was eventuell dieses Bild von Graubünden noch stärker zum Ausdruck gebracht hätte, wäre, wenn die Dialoge in Mundart gehalten worden wären. Was jedoch dem Fluss des Buches eher Stolpersteine in den Weg gelegt hätte und daher sicherlich auch bewusst weggelassen wurde.

Die verschiedenen verwobenen Geschichten, ohne zu viel zu verraten, handeln von einem Junkie, einer grossen Dreiecksbeziehungskiste, der Hauptfigur, der leidenschaftlichen Ermittlerin Giulia de Medici sowie von Toten und Untoten. Eindrucksvoll ausführlich wird man mitgenommen auf Drogentrips, Bergtouren, zu Polizeiermittlungen sowie hinter die Kulissen zweier Fleischverarbeitungsfirmen, und das alles direkt vor der Haustüre. Die ungeheuren Dynamiken der zwischenmenschlichen Beziehungen zwingen einen gespannt weiter zu lesen. Sie sind die richtige Würzung der Geschichte, welche hin und wieder ganz unvorhersehbare Wendungen annimmt und regelmässig überrascht.

Bündnerfleisch ist packend, phasenweise beängstigend real. In einem flüssig lesbaren, für jeden verständlichen Deutsch geschrieben, gespickt mit ein paar wenigen Fremdworten. Ein packender Thriller für Jedermann, der direkt vor unserer Haustüre spielen könnte.

Mehr Informationen über den Autor finden Sie unter www.philipp-gurt.ch.

 

(Bild: zVg.)