Am WEF 2016 in Davos steht das Thema Wirtschaft 4.0 im Fokus. Während Tech-Vertreter Chancen für die Armen und für eine gerechtere Welt sehen, gab sich der US-Vizepräsident Joe Biden gestern skeptisch.
«Wirtschaft 4.0» – heisst das Zauberwort, das durch Davos fegt wie ein weltweites Damoklesschwert. Die bevorstehende vierte industrielle Revolution soll die Welt nachhaltig verändern.
Von industriellen Revolutionen spricht man, wenn tiefgreifende, dauerhafte und branchenunabhängige Veränderungen der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse eintreten. Die erste industrielle Revolution Ende des 18. Jahrhunderts zeichnete sich durch die Mechanisierung mit Wasser- und Dampfkraft aus. Die zweite im 19. Jahrhundert durch die Massenfertigung und elektrischer Energie, die dritte Ende des 20. Jahrhunderts durch die Mikroelektronik und die digitale Revolution.
Der Mensch wird überflüssig
Bei der vierten Revolution geht es um die «Informatisierung der Fertigungstechnik und der Logistik bei der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation». Oder auf deutsch: Die Maschinen werden derart intelligent, dass der Mensch überflüssig wird. Das Schreckensszenario: Die Reichen werden durch die Automatisierungen noch reicher, der Mittelstand hat keine Funktion mehr und verarmt.
Joe Biden warnt vor «Wirtschaft 4.0»
Genau davor warnte gestern in Davos überraschend scharf der US-Vizepräsident Joe Biden. Seine Kollegen in Washington würden ihn «Mittelklassen-Joe» nennen, gestand Biden im Davoser Kongresszentrum: «Die digitalen Fortschritte hatten bereits drastischen Einfluss auf unser Leben», sagte der demokratische US-Vizepräsident gegenüber der Schweizerischen Depeschenagentur. Nun stelle sich aber die Frage, ob die Welt dadurch besser oder schlechter werde.
Zerfall des Mittelstands droht
Bei den vergangenen Revolutionen hätten sich die Veränderungen für die Gesellschaft ausbezahlt. «Mein Instinkt sagt mir aber, dass dies mit der Wirtschaft 4.0 schwieriger wird», meinte sich Biden pessimistisch. Die Grundfrage für die Zivilgesellschaft laute deshalb: «Wie können wir dafür sorgen, dass die Mittelklasse nicht weiter ausgehöhlt wird?» Der Zerfall des Mittelstands sei eine Bedrohung für die Weltwirtschaft und für die weltweite Sicherheit, sagte Biden.
Facebook-Chefin sieht Chancen
Nicht dieser Meinung waren Vertreter aus der Tech-Branche. «Die Roboter werden noch mehr Effizienz und Produktivität schaffen», sagte ABB-Chef Ulrich Spiesshofer im Interview mit dem Schweizer Fernsehen. Auch Facebook-Chefin Sheryl Sandberg glaubt an die Chancen der «Wirtschaft 4.0»: «Die digitale Vernetzung ist zu wichtig, um sie alleine den Reichen zu überlassen», sagte Sandberg am Mittwoch anlässlich eines Panels am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos. Die neue industrielle Revolution eröffne auch der Wirtschaft und den Frauen aus ärmeren Ländern eine Chance.
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(Bild: EQ Images/Jakob Menolfi)