«Wolf ja – aber bitte, ohne ihm je zu begegnen»

Sie bewegen die Gemüter, die frechen Jungwölfe vom Calanda. Überhaupt die grossen, wilden Tiere, die uns in den letzten Jahren besuchen kommen. Die einen schauen plötzlich irgendwo zum Küchenfenster rein, die andern spielen Fangis hinter dem Haus. Richtig schön, durch unsere Toleranz sind wir eins mit der Natur.

Und jetzt kommt einfach so der Kantons-Forstmeister und sagt, man müsse zwei Wölflein abschiessen, damit die andern merken, dass sie nicht so nahe kommen dürfen. Die Armen! Das ist doch nur Natur. Man stelle sich nur mal die trauernden Eltern vor! Und überhaupt: Die machen ja gar niemandem was. Klar, sie fressen ein Schaf nach dem andern und seit kurzem auch mal ein Kälbchen, aber hey, das ist Natur. Sogar die Tierschutzverbände finden das. Ein Wolf ist offiziell mehr wert als ein dummes Schaf. Die fallen sonst sowieso irgendwann von einem Felsen. Tiere zweiter Klasse, sozusagen. Gemacht für Fleisch und Wolle.

Ist doch schön, dass wir endlich wieder im Einklang leben mit Mutter Erde, hab ich gestern im MacDonalds gedacht, als ich an einem Chicken Nugget kaute. Wie lange dieses Huhn wohl schon tot ist? In welcher Fabrik hat es wohl gelebt? Ist eigentlich schon verrückt: Den Wolf verteidigen wir, obwohl er unsere Nutztiere frisst. Das ist eigentlich unser Essen! Aber wir verzeihen es dem Wolf, schliesslich schlachten wir Schafe, Hühne und Kälber ja auch im Akkord. Deshalb können wir den Wolf auch, grossherzig, wie wir sind, gewähren lassen.

Aber es stimmt schon: Wir wollen ihn, aber bitte, ohne ihm je zu begegnen. Wir wollen einfach nur wissen, das wir ihn haben. Das reicht schon, um uns gut zu fühlen. Vielleicht sollten wir in Zukunft einfach nicht mehr erfahren, dass der eine oder andere abgeknallt wird.

 

 

(Bild: Merlin Mecharowski/Wikipedia)