Die 22-jährige Thusnerin Sonja Gambon studiert in Luzern Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften. In zweiten Teil der Blog-Serie «Bündner im Exil» schreibt sie für GRHeute. Heute geht es um den Vergleich Graubünden/Chur – Luzern.
So, heute wird „Stand Land Fluss“ gespielt! Für den heutigen Zweck wird es etwas verändert, im Zentrum stehen nicht zwei Buchstaben, sondern zwei Kantone.
Klar, die Plessur und die Reuss lassen sich gut unterscheiden. Das kleine Churer Bächlein, das von Arosa herunterplätschert, kann kaum mit dem Luzerner Fluss, der aus dem Vierwaldstättersee mündet, mithalten – bezogen auf die Grösse natürlich. Wenn man die anderen beiden Faktoren des beliebten Spieles miteinbezieht, wird es schon schwieriger: Welche Unterschiede lassen sich von Land zu Stadt, von der grössten Bündner Stadt mit 30’000 Einwohnern zu einer der kleinen Grossstädte mit gut 80’000 Einwohnern feststellen?
Die beiden Städte haben mehr gemeinsam, als auf den ersten Blick zu scheinen mag. Ja, beide sind überschaubar, liegen unter 100’000 Köpfen, sind von wunderschönen Bergen umgeben, ziehen Touristen an, haben kulturell so einiges zu bieten, haben einen ähnlichen Charme. Luzern, die schönste Stadt der Schweiz, profiliert sich vor allem durch die wunderschöne Seepromenade, die prunkvollen Hotels, die vielen Uhrengeschäfter, die hohen Preise – die Tourismushochburg denkt oft zu sehr an die Reisenden und weniger an die Einheimischen. Ein Problem, das auch Chur kennt: Auch wenn es billiger und weniger russischen und asiatischen Luxustouristen ausgesetzt ist, bleibt auch hier für die Jungen gerade nach der Schliessung der Werkstatt und des Selig im nächsten Frühling nicht mehr viel.
Dennoch, wer wie ich nicht im famosen Städtchen, sondern auf dem Land aufgewachsen ist, erlebt teilweise einen kleinen Kulturschock. Hier gibt es in der Stadt tatsächlich sehr viel Verkehr! Als Fahrradfahrer lebt man gefährlich. Hier gibt es auch – im Verhältnis zum Land, auch zu Chur – eine Ampel an jeder Kreuzung, und sogar doppelspurige Kreisel! Alles Neuland, wenn man aus den wohlbehüteten Bergen rauskommt. Dafür sind hier alle Strassen zweispurig und geteert, es hat überall Licht in der Nacht und der Zug fährt nicht nur bis 22 Uhr.
Was auffällt, ist der Unterschied von Stadt zu Land zwischen den beiden Kantonen. Wo in Graubünden das Stand-Land-Gefälle von der eh schon kleinen Stadt zu 100-Einwohnern-Dörfern extrem ist, merkt man in Luzern kaum, dass man die Stadt verlassen hat. Gemeinden mit unter 1000 Einwohnern gibt es hier so wenig wie auch eine Grenze von Stadt zu Agglo. Ich zum Beispiel wohne in der Gemeinde Horw, bin postleitzahlmässig aber noch in Luzern, das Wohnquartier sieht schon mehr nach Dorf aus, ist geografisch aber neben der Luzerner Messe gelegen – da kann man schon einmal die Orientierung verlieren, oder?
Auch wenn ich nicht ein extremes Landei bin und auch schon in grösseren Städten über- und gelebt habe, so bin ich doch froh, mich über Luzern langsam an das Stadtleben herantasten zu können. Es ist angenehm, nicht mehr als 10 Minuten Bus fahren zu müssen, in der Nacht gemütlich nachhause gehen zu können und nicht ständig mit der Angst zu leben, von einem Tram überfahren zu werden. 😉