Graubünden macht die Arbeit, Pfeifer das Geschäft

Ein Kommentar zu den neuen Plänen auf dem Areal der ehemaligen Grosssägerei in Ems.

 

Es kommt wieder Leben in die Industriebrache in Domat/Ems. Seit dem Konkurs der Grosssägerei vor fast fünf Jahren steht sie jederzeit bestens sichtbar an der Autobahn. Als unangenehmes Mahnmal an ein überdimensioniertes Projekt und einen Verlust von über 20 Millionen Franken für den Kanton Graubünden. Dass sich irgendwas ändern musste, war klar. Wer bewegt sich als Erster?, würde man beim Beamtenkaffee wohl fragen, übersetzt heisst dies: Wer sitzt am kürzesten Hebel? Am meisten Druck spürte die Bündner Kantonsregierung, allen voran das Volkswirtschaftsdepartement, das damals unter Hansjörg Trachsel das finanzielle Fiasko zu verantworten hatte. Sein BDP-Parteikollege und Nachfolger Jon Domenic Parolini versucht nun, die Scharte mit einem Frontalangriff auszuwetzen.

Der Kanton kauft das Baurecht für das Gelände für 10,8 Millionen Franken vom Holzindustrie-Konzern Pfeifer ab. Ein gutes Geschäft für den österreichischen Konzern: Vor vier Jahren hatte er für dasselbe noch zwei Millionen bezahlt. Damals war das Trauma nach dem Millionenabschreiber in Graubünden noch so gross, dass ein Mitsteigern den Kantons unmöglich war. Jetzt sieht es wieder anders aus: Der Kanton greift tief in die Tasche – und wird es weiter tun. Für die Erschliessung und Revitalisierung des Areals kommen nochmal 12-23 Millionen Franken obendrauf. Pfeifer behält trotz der netten Rendite immer noch die Finger im Projekt: Falls das Areal zum Laufen kommt, kann der Holzindustrie-Konzern die bestehende «Option Sägerei» nutzen, oder anders ausgedrückt: Ein Teil des Geländes gehört weiterhin ihnen. Es ist klar, dass Regierungsrat Jon Demonic Parolini sagt, die Österreicher seien in einer guten Verhandlungsposition gewesen.

Fakt ist aber auch, dass Graubünden die Arbeit haben wird, Pfeifer das Geld und alle Optionen – wenn der Kanton denn auch so erfolgreich ist, wie er sich erhofft. Man will Hightech-Firmen, junge dynamische Start-ups, Export-Wirtschaft. Es fragt sich, ob diese Art Firmen im heutigen weltweiten Standort-Wettbewerb tatsächlich auf die Industriezone des konkursiten Grosssägewerks gewartet haben. Parolini spricht dann auch wohlweislich von einem mittel- bis längerfristigen Projekt. Jahre, Jahrzehnte könne es dauern, bis sich das gut erschlossene Land bewähre. Das ist möglich. Wenn’s nicht klappt, ist wieder ein Sack Steuergelder aus der Kantonskasse weg. Regierungsrat wird er dann wahrscheinlich nicht mehr sein.

Ebenfalls kritisch zu beurteilen ist der Eifer, mit dem sich der Kanton als Immobilienmakler betätigt. Am 1. Januar 2016 tritt das neue Wirtschaftsförderungsgesetz in Kraft, und der Kanton zögert keine Sekunde, die neuen Kompetenzen zu nützen. Dass er damit in den Standortwettbewerb mit den Gemeinden tritt, ist heikel. Der Churer Stadtpräsident Urs Marti, der gestern als Party-Crasher an der Medienkonferenz auftauchte, hat recht, wenn er vermutet, dass der Kanton nun nicht mehr alle Angebote der Gemeinden gleich behandeln werde, weil der Kanton nun «ja in erster Linie seine eigenen Parzellen loswerden will.»

Dass Marti einen dicken Hals hat, ist verständlich. Gemäss einem Radio-Interview auf SRF hat der Kanton den ersten Siedler auf dem neuen Kantonsgebiet der Stadt Chur ausgespannt. Die Rede ist von der Hamilton Plastics, die sich als Pionier- und Vorzeigefirma auf dem ehemaligen Sägerei-Areal einmietet. Das war die gute Nachricht von gestern: 100 neue Stellen werden geschaffen. Davon profitieren alle und es ist im Grunde ja zu hoffen, dass das ehemalige Sägerei-Gelände zum neuen «Silicon Valley» wird.

Dass aber beispielsweise die Stadt Chur nicht informiert wurde, ist ein schweres Versäumnis und lässt vermuten, dass die Gemeinden vom Kanton nicht nur als Partner, sondern neu auch als Konkurrenten angesehen werden. Und das wäre dann wirklich schlechtes Karma für das alte Sägewerkareal in Ems.

 

(Bild: gr.ch)