Marius Zarn ist der erfolgreichste Bündner Fussballer der letzten 30 Jahre. Der Landquarter ist ehemaliger Challenge- und Super-League-Fussballer bei Aarau und Vaduz, spielte über 20 Uefa-Cup-Spiele und war bis letzte Saison Trainer bei Chur 97. Der aktuelle U15-Auswahl-Trainer des Team Südostschweiz schreibt auf GR Heute über den regionalen, nationalen und internationalen Fussball.
Die letzte Woche war eine gute für den Bündner Fussball. Der Churer Angelo Campos ist in die Schweizer U16-Nationalmannschaft aufgeboten worden. Für mich ist das besonders schön zu sehen, war er letzte Saison doch noch in unserem regionalen U15-Team. Die Entwicklung eines jungen Fussballers mit zu erleben, ist etwas vom Schönsten für einen Nachwuchstrainer. Und jetzt gehört er zu den 20 besten Schweizer Fussballern seines Jahrgangs. Auch dass die Fussball-Akademie in St. Gallen – wo Angelo zurzeit spielt – ausgebaut wird, ist für den regionalen Fussball sehr positiv. Die Wege sind kürzer, und es zeigt, dass es möglich ist, auch von Graubünden aus eine Fussballer-Karriere zu lancieren!
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Regional ist es zurzeit in der Bündner 3. Liga spannend. Besonders die Entwicklung des FC Thusis-Cazis (Bild) ist erfreulich. Die Verantwortlichen setzen mit Erfolg auf viele junge, hungrige Einheimische und ich bin gespannt, wie das Duell gegen Domat/Ems ausgehen wird – Ende Oktober treffen sie erstmals aufeinander. Da ist auf jeden Fall Pfeffer drin. Der FCTC kann sich auch über eine besondere Auszeichnung freuen. Gion Fadri Chande, zurzeit bei beim FC Basel in der U18 tätig, erhielt am Wochenenden den Bündner Verbanssportpreis. Der BVS ehrt mit diesem Preis verdiente Persönlichkeiten aus den über 730 angeschlossenen Vereinen mit mehr als 72’000 Mitgliedern.
Bei den stärksten Bündner Teams geht die Entwicklung in entgegengesetzte Richtungen: Chur 97 wird in der 2. Liga regional wahrscheinlich durchlaufen, dafür kränkelt Schluein etwas. Das mag vielleicht am Verletzungspech liegen. Der neue Trainer ist mit Bestimmtheit gefordert. Ich gehe aber davon aus, dass die Mannschaft genug erfahren ist, den Turnaround zu schaffen und dass sie den Ligaerhalt schaffen. Dass Trainer Urs Casutt kurz nach Saisonstart sein Amt aufgab, kann ich gut nachvollziehen: Der Zeitaufwand für einen Trainer ist mit drei Trainingseinheiten und den Spielen am Wochenende gross, aber machbar. Wenn man aber neben dem Sportlichen plötzlich noch viele Aufgaben im Klub übernehmen muss, zum Beispiel das zeitaufwändige Rekrutieren von Spielern, dann wird es schnell zu viel. Und wenn es dann sportlich nicht läuft, kommen plötzlich zusätzlich neue Aufgaben. Die Unzufriedenheit im Umfeld steigt, man muss sich rechtfertigen, vermehrt Spielergespräche führen etc. Dann ist man plötzlich täglich derart beansprucht, dass es irgendwann einfach zu viel wird.
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Letztes Wochenende war ich beim 1:1 in St. Gallen gegen Sion dabei. Der Trainerwechsel hat dem FCSG gut getan, es brauchte ein Zeichen. Ich gehe davon aus, dass sich St. Gallen weiter fangen wird und einen sicheren Mittelfeldplatz erreicht. Übrigens: Am Freitag spielt die Schweizer Fussballnati in der AFG Arena im EM-Qualifikationsspiel gegen San Marino – und es hat auch noch Tickets. Zurück zum zweiten Super-League-Klub der weiteren Region: Der FC Vaduz hat wieder einen Punkt geholt, aber ich bleibe bei meiner Prognose, dass es sehr schwer wird für die Liechtensteiner. Eigentlich wollte Trainer Contini ja einen Schritt nach vorne machen, aber das schaffen sie dieses Jahr nicht. Um unter die ersten 5-6 Teams zu kommen, müsste Vaduz gehörig investieren. Das geht nicht von heute auf morgen.
Auch bei den Bündner Fussballfans gibt es in Vaduz Steugerungspotenzial, diese orientieren sich mehr Richtung St. Gallen. Dazu kommt, dass der Bündner Sportfan ziemlich verwöhnt ist und nur die Spitzenspiele besucht – das sieht man ja auch in anderen Sportarten wie beispielsweise dem Unihockey. Ich gehe davon aus, dass der FC Zürich in der Super League früher oder später aus dem Keller kommt und dass Thun, Lugano und Vaduz den Absteiger unter sich ausmachen werden.
International gehörte die letzte Woche ganz klar Robert Lewandowski. Ich würde nicht sagen, dass er der beste Stürmer der Welt ist. Aber im Moment ist er der beste Stürmer im besten Team. Er profitiert sicher vom sensationellen Lauf von Bayern München, ein anderer Top-Stürmer würde in seiner Position wohl ähnlich oft treffen. Sicher gehört er zu den besten Torjägern, aber ohne Nebenspieler in Topform wäre eine solche Tor-Ausbeute nicht möglich. Ich glaube nicht, dass Lewandowski einem Messi oder Ronaldo das Wasser reichen kann. Allerdings kann man ihn von seiner Spielart her auch nicht mit den beiden Topshots vergleichen.
(Bilder: Christian Danuser (FCTC), EQ Images/Thorsten Wagner (Lewandowski))