Ein satirischer Wochen-Rückblick. Wildmannli war wieder mal in der Beiz. Am Stammtisch diskutieren Marco und Gian-Luzi. Ungefähr so.
Marco: «Bist du mal auf der neuen Online-Zeitung GR Heute gewesen?»
Gian-Luzi: «Nö, ich les die Zeitung immer am Morgen im Café.»
Marco: «Ist eine Online-Zeitung.»
Gian-Luzi: «Davon weiss ich nichts. Ich geh nur ins Internet, um die letzten HCD-Tore zu sehen. Auf SRF.»
Marco: «Ok.»
Gian-Luzi: «In der Südostschweiz hab ich auch nichts von einer neuen Zeitung gelesen. Bist du sicher, dass es die gibt?»
Marco: «Egal. Gehst du am Freitag nach Davos an den Match?»
Gian-Luzi: «Vielleicht. Ist noch etwas früh für Hockey für mich. Noch ist Fussballwetter. Hast du die Schweizer Nati gesehen?»
Marco: «Klar, obwohl ich mir das England-Spiel hätte sparen können. War übel.»
Gian-Luzi: «Dafür war der Slowenien-Sieg umso schöner. War das geil.»
Marco. «Ja. Richtig unschweizerisch. Die vielen Secondos im Team haben uns eine richtige Killermentalität gebracht.»
Gian-Luzi: «Killer-Mentalität? Politisch korrekt geht anders.»
Marco: «Ach, komm schon, das hab ich gar nicht so gemeint. Ich versteh echt nicht, warum du immer auf diesem Ohr hörst.»
Gian-Luzi: «Hast du die Frau gesehen, die den Flüchtlingspapa mit dem Kind gestöckelt hat?»
Marco: «Oh ja, was für eine Birne. Wie Don Quijote mit den Windmühlen stellt sie sich allein dem Flüchtlingsstrom entgegen. Stell dir vor, es gäbe noch mehr von dieser Sorte!»
Gian-Luzi: «Man müsste glatt einen Schiedsrichter an die Grenze bringen. Und das wäre dann eine klare rote Karte für die Reporter-Schnalle gewesen.»
Marco: «Und jetzt, was meinst du, kommen die jetzt auch zu uns?»
Gian-Luzi: «Die Stöckler?»
Marco: «Blödsinn. Die Flüchtlinge natürlich.»
Gian-Luzi: «Die sind doch schon da, irgendwo in einer Militärunterkunft auf der Alp. Man sieht sie halt einfach nicht.»
Marco: «Ist noch blöd. Immer wenn man irgendwo einen Schwarzen sieht, fragt man sich, ob das jetzt ein Flüchtling ist.»
Gian-Luzi: «Spielts eine Rolle? Was ändert das? Willst du sie etwa auch stöckeln?»
Marco: «Du Aff! Irgendwo hab ich gelesen, dass man Flüchtlinge anlächeln soll. Als Zeichen der Gastfreundschaft und so. Das versuch ich eigentlich immer.»
Gian-Luzi: «Find ich nett.»
Marco: «Man könnte auch ein Schild basteln, so im Stil von ‚Willkommen! Bei uns fliesst für alle Milch und Honig und Schoggi›.»
Gian-Luzi: «Viele flüssige Mittel…»
Marco: «Aber die Kinder tun einem schon leid. Ich meine, das eine vom Strand…»
Gian-Luzi: «Hör auf damit. Wenn solche Bilder zum Alltag werden, dann stumpfen wir noch voll ab. Dann hat niemand was davon.»
Marco: «Hä? Ist doch krass!»
Gian-Luzi: «Schon. Aber warum zeigen die das? In Afrika sterben jeden Tag x-Kinder vor Hunger. Das interessiert niemanden mehr. Ist doch Scheisse.»
Marco: «Das stimmt schon. Aber trotzdem gehen diese Bilder unter die Haut.»
Gian-Luzi: «Auf jeden Fall. Aber warum fährt ein Papa mit seinen kleinen Kindern bei völliger Dunkelheit in einem ‚quackliga Bötli‘ x-Kilometer übers stürmische Meer? Sind wir da etwa schuld daran?»
Marco: «Keine Ahnung. Der Papa würde es heute sicher nicht mehr tun. Ich hoffe nur, das passiert nie mehr.»
Gian-Luzi: «Falsch, es passiert jeden Tag auf der Welt. Fragt sich nur, wie lange es geht, bis wir regelmässig solche Bilder sehen. Gäbe sicher noch mehr Quoten.»
Marco: «Ok, ich korrigiere mich. Ich hoffe nicht, dass das nie mehr passiert, sondern dass ich so was nie mehr sehen muss.»
Gian-Luzi: «Das ist bös, Marco.»
Wildmannli trinkt aus, sagt Tschau und geht nach Hause.